2023-08-22 MAZ | Wand gesucht: Wie eine Graffiti-Künstlerin legal Kunst schaffen möchte

Kunst in Potsdam

Wand gesucht: Wie eine Graffiti-Künstlerin legal Kunst schaffen möchte

Schmiererei oder Kunst? Bei Graffitis scheiden sich die Geister. Die Streetart-Künstlerin Hannah Gußner versucht, in Potsdam legal eine Wand zu bemalen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Schmiererei oder Kunst? Bei Graffitis scheiden sich die Geister. Die Streetart-Künstlerin Hannah Gußner versucht, in Potsdam legal eine Wand zu bemalen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Judith von Plato

Judith von Plato

22.08.2023, 11:54 Uhr

Potsdam. „Wand gesucht“ – diese Worte prangten auf Aushängen in Potsdam. Hinter der ungewöhnlichen Suche steckt Hannah Gußner.

Wofür sie eine Wand braucht? Die 25-Jährige ist Street Artist, Straßenkünstlerin also. Die studierte Kommunikationsdesignerin bemalt in ihrer Freizeit Wände. Was manche womöglich als Graffiti oder Schmiererei abstempeln, ist ihre Kunst. Kunst, die in Potsdam gar nicht so einfach legal geschaffen werden kann – zumindest, wenn sie von Dauer sein soll.

Streetartist sucht Wand für Graffiti-Kunst in Potsdam

„Ich habe schon immer gemalt“, erzählt Hannah Gußner. „Wenn ich Lust habe zu malen, habe ich häufig Probleme, eine geeignete Wand zu finden“, sagt sie. „Ich würde das gerne auf legale Weise machen – das ist hier leider noch nicht sehr verbreitet.“ Seit drei Jahren wohnt die gebürtige Hamburgerin in Potsdam. Sie ist wegen ihres Studiums in die Landeshauptstadt gezogen.

„In Potsdam gibt es viele legale Flächen, auf denen man üben kann“, so Gußner. Der Haken: Sie sind als Übungswände insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene gedacht. Um die 20 solcher Orte stellt die Stadt zur Verfügung – so der Stand von 2015, der seitdem nicht mehr aktualisiert wurde. Die Bilder halten sich auf ihnen nur kurz. „Sie werden jede Woche übermalt“, sagt Hannah Gußner. Ihr geht das zu schnell. Sie würde gerne etwas gestalten, das länger währt.

Potsdam: Herausforderungen für legale Streetart

„Wände im öffentlichen Raum sind häufig privat. Da ist es schwierig herauszufinden, wem sie gehören“, erläutert sie eine weitere Herausforderung. Viele Privatpersonen seien in Potsdam eher zögerlich, eigene Fassaden bemalen zu lassen. Anders war das in Bolivien, sagt sie. In dem lateinamerikanischen Land ist Hannah Gußner erst richtig in die Graffiti-Kunst eingestiegen und hat sich einem Street-Art-Kollektiv angeschlossen. „Wir haben dort einfach an Türen geklingelt und am nächsten Tag konnten wir häufig eine Wand bemalen.“

Ein Gemeinschaftswerk mit einer bolivianischen Künstlerin – digitale Technik macht experimentelle Kooperationen möglich.

Ein Gemeinschaftswerk mit einer bolivianischen Künstlerin – digitale Technik macht experimentelle Kooperationen möglich.

© Quelle: Hannah Gußner

Eine besser funktionierende Möglichkeit in Deutschland, Wände oder andere größere Flächen zu bemalen, sind Festivals. Hannah Gußner hat bereits an zahlreichen solcher teilgenommen. Auch in Potsdam gibt es Streetart-Festivals, auf denen sich Graffiti-Künstlerinnen und Künstler austoben können. Dazu gehört zum Beispiel das Hypergraphia, das vom 18. bis 20. August auf dem Freiland-Gelände stattfand.

Hannah Gußner aus Potsdam über Streetart

„Streetart ist für mich eine schöne Möglichkeit, Begegnungen im öffentlichen Raum zu schaffen – sowohl durch die Interaktionen mit anderen als auch durch die Themen, die ich adressiere.“ Das Malen im öffentlichen Raum hat für sie ein ganz besonderes Flair. „Es ist so verbindend. Es ist viel schöner und sozialer als zu Hause zu malen.“ Wenn sie in der Öffentlichkeit künstlerisch tätig ist, komme sie immer mit anderen ins Gespräch – ob mit Kunstschaffenden oder Passantinnen und Passanten. „Streetart erreicht jeden“, sagt sie.

„Meine Mission ist es, gesellschaftlich relevante Themen visuell aufzubereiten und zu vermitteln“, erklärt Hannah Gußner. Das macht sie sowohl in ihrer Arbeit als Kommunikationsdesignerin und Kulturmanagerin als auch in ihrer Kunst. Flammen und Pflanzen in knalligen Farben sind bei ihr ein wiederkehrendes Motiv. Mit Waldbränden und Umwelt hat sie sich in den vergangenen Jahren viel beschäftigt. „Aber das ist kein Muss, ich experimentiere sehr gerne.“

Illegale Graffiti und Schmierereien versus Straßenkunst

Während Hannah Gußner also mithilfe von Aushängen nach einer Wand sucht, ist die Potsdamer Stadtverwaltung derzeit, wie in der MAZ berichtet, auf der Suche nach privaten Unternehmen, die illegale Graffiti beseitigen. Davon gibt es hier so einige. Bis zu 500.000 Euro würde Potsdam für die Beseitigung ausgeben.

„Street Art hat es in Potsdam schwer, weil die Stadt sehr auf das historische Stadtbild fokussiert ist“, sagt Hannah Gußner. Dabei könnte legale Streetart aus ihrer Sicht damit ein wenig brechen und zeigen, wie viele Szene-Projekte es in der Landeshauptstadt gebe.

Die 25 Jahre alte Hannah Gußner nimmt gerne an Streetart-Festivals teil. Legale Möglichkeiten für Streetart sind in Potsdam begrenzt.

Die 25 Jahre alte Hannah Gußner nimmt gerne an Streetart-Festivals teil. Legale Möglichkeiten für Streetart sind in Potsdam begrenzt.

© Quelle: Hannah Gußner

Eines dieser Projekte könnte von Hannah Gußner sein – sollte sie eine passende Wand aufspüren. Eile hat sie dabei keine. Bevor sie das Projekt umsetzen möchte, reist sie erst einmal wieder nach Bolivien.

Wer eine geeignete Wand hat und sich vorstellen kann, sie Hannah Gußner zur Verfügung zu stellen, kann sich direkt per E-Mail bei ihr melden. Auch Interessierte, die gerne gemeinsam malen wollen, können Sich an Sie wenden: hannah-gussner@web.de. Weitere Informationen finden Sie auf ihrer Website: www.hannah-gussner.com.

Quelle: 22.08.2023 MAZ Online
2023-08-22_MAZ_Wand_gesucht.pdf (481,1 KB)