2016-11-24 PNN Auftrag: Pop

Auftrag: Pop

Hat noch viel zu tun. Brandenburgs Projektleiterin für Popmusik Franziska Pollin. Foto: B. Loschinsky

Kann Brandenburg Popkultur? Ein Podium um die Projektleiterin für Popmusik Franziska Pollin ging der Frage nach.

„Ich bin die Popmusikbeauftragte“, sagt Franziska Pollin, und guckt dabei ein bisschen steinmeiernd, als würde sie sich ihrer wichtigen Position bewusst sein. Ganz richtig: Das Land Brandenburg hat eine amtliche Beauftragte für Populärmusik. Ausgerechnet Brandenburg: Ist da poptechnisch überhaupt etwas los oder doch nur Wälder und Sand? Von wegen: „Mittlerweile gibt es über 40 Festivals in Brandenburg“, stellt Pollin klar. Und die haben im Prinzip die gleichen Probleme wie die Clubs in Berlin: In der Stadt beschweren sich die Anwohner, in der Provinz die Gemeinden. Über den Lärm. Als ob Popmusik Lärm wäre!

Am Montagabend im Café „11-line“ in der Charlottenstraße wurde erst einmal diskutiert, was Popmusik denn definiere. Die Einladung kam von POPUP Brandenburg, dem Netzwerk für Popkultur, unlängst in Potsdam gegründet. Eine kleine Vorbereitungsrunde auch auf die Konferenz „Stadt Nach Acht“, die am kommenden Wochenende in Berlin stattfindet.

Was ist denn nun Popmusik? „Popmusik soll sinnstiftend sein“, sagt Kai Mader von POPUP. Das sagt ja noch nicht viel: Also vielleicht eine Abgrenzung zu Hochkultur – und Volksmusik. Also Mainstream? „Ob das Mainstream oder Popmusik ist, ist völlig Banane“, zuckt Popbeauftragte Pollin mit den Schultern. „Die Diskussion, was Popkultur ist, ist doch von gestern“, pflichtet ihr Tobias Marten bei, der für das Booking im Potsdamer Waschhaus verantwortlich und dadurch Pop-Experte ist. „Alles, was abseits der Hochkultur ist, ist Popkultur: Diese Abgrenzung hat vielleicht noch zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle Sinn gemacht, heute sollten wir auf einer anderen Ebene diskutieren.“ Dann vielleicht Popkultur in der Tradition von Pop-Art? Scheint so, als betrete man ein weites Feld.

Ein Feld, auf dem oft schnöder Hedonismus dominiert. Aber auch die Möglichkeit des Partizipativen, für den Freilandchef Achim Trautvetter ohnehin die Messlatte schlechthin für Popkultur. Für Pollin hat das auch keineswegs etwas mit „ein bisschen Fun“ zu tun, schließlich muss sie ja auch die popkulturelle Förderwürdigkeit verteidigen.

Aber was ist denn das popkulturelle Potenzial Brandenburgs? Kiefernwälder und Bergbauseen, die eine flirrende Metropole umschließen? Natur als etymologisches Gegenkonstrukt zu Kultur? Eine Spielwiese für Berliner Partykids, denen man hinterher den Müll wegräumt? „Ein Festival macht nur am Wochenende Lärm“, skizziert „Stadt Nach Acht“-Organisator Marc Wohlrabe den Unterschied. „In den Berliner Clubs hat man damit permanent zu tun.“ Brandenburg hat da ganz ungeahnte Perspektiven, gerade was Festivals betrifft: „Nation of Gondwana“ beispielsweise, ein seit 20 Jahren in der Einöde bei Altlandsberg stattfindendes Electro-Festival. Dort haben sich die Anwohner mit den Besuchern solidarisiert, nicht zuletzt, weil auch die Gemeinde davon profitiert. Die Aufträge bleiben eben vor Ort, Lebensmittel, Festivalzubehör. Eine Win-win-Situation.

Aber werfen wir einen Blick vom Land auf die Stadt: In Potsdam sieht es nämlich auch nicht so rosig aus. Viele Konzertmöglichkeiten der vergangenen Jahre sind weggebrochen, das sei in den 1990er-Jahren noch ganz anders gewesen. Man kann natürlich die großen Häuser wie das Waschhaus finanziell fördern, gräbt damit aber der Subkultur das Wasser ab. Und macht Popkultur zur Hochkultur. „Das Spartacus funktioniert doch nur, weil wir unbezahlt arbeiten und nur die Betriebskosten zahlen müssen“, sagt Trautvetter. Für das „Stadtwerke-Festival“ wird fast obsolete Popmusik für dicke Scheine eingekauft. Und „Stadt für eine Nacht“? „Eine totale Zentralisierung, und ein Missbrauch von Ehrenamt, indem die Leute ein ganzes Jahr darauf hinarbeiten gelassen wird“, sagt André Tomczak von der Potsdamer Kulturlobby. Die wird sowieso Druck machen, kündigt Tomczak an: Ins Rechenzentrum, dem Sitz der Kulturlobby, dürfen Musiker gar nicht erst rein.

Viel Arbeit also für Franziska Pollin. Aber die „Projektleiterin für die Popularmusikszene in Brandenburg“ will jetzt erst recht loslegen: „Ich will darüber streiten, weil diese Diskussionen sichtbar machen, dass es auch Probleme gibt.“ In anderen Bundesländern sei diese Stelle auch erfolgreich. In dem Museum in Frankfurt am Main, wo sie nach dem Studium gelandet war, wollte sie nicht versauern und bewarb sich auf diese Stelle. Jetzt muss sie netzwerken, unzählige Mails schreiben, Bedürfnisse erfahren – und Gelder generieren: „Ich will nicht nur das Land anzapfen, sondern auch den Bund.“ Und Infrastrukturen generieren, eine Art Bandkataster vielleicht. Um die Popmusik selbst kann sie sich aber nicht kümmern: „Ich bin ja kein Talentscout“, sagt sie. Das müssen die Brandenburger dann schon selbst in die Hand nehmen.
Von Oliver Dietrich

http://www.pnn.de/potsdam-kultur/1133943/
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