2015-09-24 PNN Selbst die Biosphäre ist im Gespräch

Selbst die Biosphäre ist im Gespräch

Das Potsdamer Rathaus prüft Leichtbauhallen für Flüchtlinge unter anderem in Bornim, Babelsberg, Drewitz und am „Freiland“

Trotz erster Proteste hält die Stadt Potsdam daran fest, für die Unterbringung von Flüchtlingen acht sogenannte Leichtbauhallen im Stadtgebiet zu errichten. Das hat die Stadtspitze den Stadtverordneten nach PNN-Informationen am Mittwochabend im nicht öffentlichen Teil des Hauptausschusses angekündigt. Zuvor hatte bereits Stadtsprecher Jan Brunzlow auf Anfrage erklärt, Potsdam müsse noch rund 850 Menschen in diesem Jahr aufnehmen: „Wir brauchen jeden Platz.“

Die Leichtbauhallen sind nach PNN-Informationen für fünf Standorte vorgesehen. Jeweils eine Halle könnte demnach auf dem Sportplatz in Bornim an der Golmer Chaussee und an der Slatan-Dudow-Straße in Drewitz stehen. Je zwei Hallen sind derzeit für einen wilden Parkplatz am Sportplatz „Sandscholle“ in Babelsberg, für ein Areal an der Ecke Neuendorfer- und Nuthestraße am Stern sowie auf einem Grundstück neben dem Kulturzentrum „Freiland“ in der Friedrich-Engels-Straße vorgesehen.

Die Hallen sollen ab Ende Oktober errichtet werden und zumindest den Winter über für Schutz vor Schnee und Kälte sorgen. Endgültige Entscheidungen seien für die jeweiligen Standorte noch nicht getroffen, derzeit würde ihre Eignung noch überprüft, hieß es gegenüber den Stadtverordneten. Selbst die Tropenhalle „Biosphäre“ werde in die Überlegungen für die Flüchtlingsunterbringung einbezogen, hieß es – wie auch der Filmpark Babelsberg oder der Sportpark Luftschiffhafen.

Unterdessen hat die Fraktion Die Andere die ablehnende Haltung des linksalternativen „Freiland“-Jugendzentrums zu einer Leichtbauhalle an ihrem Standort unterstützt (PNN berichteten). In einer Erklärung teilte Die Andere mit, solche Hallen würden gegen das städtische Integrationskonzept verstoßen, das eine wohnungsähnliche Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vorschreibe. Die winterfesten Hallen bieten jeweils bis zu 48 Menschen Platz und können mit Stellwänden in zwölf Räume unterteilt werden, Wärme spendet eine Ölgebläseheizung.

Die Andere lehnt das ab: „Schlafzelte mit daneben aufgestellten WC-Containern erfüllen diesen Anspruch nicht einmal ansatzweise.“ Zudem listet die Andere eine Reihe leer stehender Gebäude auf, die kurzfristig als Alternative genutzt werden könnten. „Falls keine schnelle Einigung mit den Eigentümern möglich ist, sollte die Stadt unverzüglich eine Ordnungsverfügung zur zeitweiligen Nutzung dieser Objekte erlassen“, forderte Die Andere. Bereits am Dienstag hatte das „Freiland“-Plenum in einem offenen Brief „menschenunwürdige Zeltcontainer“ an seinem Standort abgelehnt. Zudem müsse die Unterbringung von Flüchtlingen den weiteren Betrieb als Kulturzentrum zulassen, gab das Plenum zu bedenken.

Der Hauptausschuss genehmigte am Mittwochabend unterdessen die Anmietung von Gebäuden in der Berliner Straße 79 und 139 – für fünf beziehungsweise zehn Jahre. Dort können bis zu 170 Flüchtlinge untergebracht werden, die Nummer 79 wird noch im Oktober eröffnet. In den vergangenen Tagen hätten sich zudem rund 50 Bürger gemeldet und freie Unterkünfte angeboten, teilte die Stadtverwaltung mit. Diese würden geprüft.

Bei einer Bürgerversammlung zu den neuen Unterkünften in der Berliner Vorstadt kamen am Mittwochabend etwa 400 Anwohner im Waschhaus in der Schiffbauergasse zusammen. Der Intendant des Hans Otto Theaters, Tobias Wellemeyer, erklärte, Flüchtlinge könnten derzeit kostenlos in die Aufführungen kommen. Andere Besucher äußerten ihre Sorge vor „deutschem Identitätsverlust“ – die Mehrheit der Redner erkundigte sich aber, wie man helfen könne, um für bessere Integration zu sorgen.
Von Henri Kramer

http://www.pnn.de/potsdam/1008749/
2015-09-24 PNN Selbst die Biosphäre ist im Gespräch.pdf (62,5 KB)