2013-07-15 MAZ Stadt spendiert Spraydosen

Stadt spendiert Spraydosen

Simon Pape (l.) hinterlässt als „Sirius Seven“ gemeinsam mit seinen Kollegen „Mücke 32“ (hinten) und „Jonas“ seine Handschrift am Spartacus. Quelle: Christel Köster

Nicht alles, was aus der Dose kommt, ist illegal – die Stadt fördert ein Graffiti-Projekt von drei jungen Künstlern aus Potsdam. Für ein Gemälde am Jugendkulturzentrum Freiland in der Friedrich-Engels-Straße spendierte die Stadt 170 Sprühdosen.

Teltower Vorstadt. In der Galerie unter freiem Himmel läuft der CD-Player. „Wir machen das klar“, singt Jan Delay, ein Motto das zum Projekt von Simon Pape (25) und seinen zwei Freunden passt. Der Künstler, der sich „Sirus Seven“ nennt, steigt vom Rollgerüst, die Dose in der Hand. Für ihn ist es okay, aber seinen Sprühkollegen „Jonas“ (22) und „Mücke 32“ (22) ist die Sache da oben zu wackelig. Erstmal eine Zigarette.

Vor sechs Wochen hat das Künstler-Trio mit seinem neusten Projekt angefangen. Auf dem Gelände des Jugendkulturzentrums Freiland an der Friedrich-Engels-Straße hinterlassen die drei Potsdamer ihre Handschrift: Ein Gemälde, das die Geschichte eines fernen Planeten erzählt: Fantasiefiguren, die sich durch den Urwald bewegen, Maschinen, die den Wald roden und Roboter, die die Natur ausbeuten. Das Graffito ist an den 3-D-Film „Avatar“ angelehnt, die tragende Farbe ist wie dort Blau und auch die Ökobotschaft ist ähnlich: Themen sind der Kampf um Ressourcen, Zerstörung der Natur und der drohende Miltärimperialismus. „Eine moderne Indianergeschichte eben“, wie der Künstler Jonas sagt.

170 Dosen spendierte die Stadt für das Gemälde. Quelle: Christel Köster

Doch nicht nur das bedrohte Paradies auf der Häuserwand vom Verein Spartacus ist eindrucksvoll, sondern auch der Weg zu dem Bild. Die Idee dazu hatte Sirius Seven bereits vor einem Jahr. Anders als seine beiden Kollegen, sprüht er erst seit drei Jahren. In der Stadtverwaltung stellte er sein Freiland-Projekt vor. Überraschend schnell und unbürokratisch bekam er Hilfe. Über den Jugendkulturfonds der Stadt haben die drei Sprayer Geld für ihr Projekt bekommen, mit dem sie unter anderem die 170 Sprühdosen gekauft haben. „Das ist ein tolles Zeichen für die Sub- und Jugendkultur“, sagt Sirius Seven.

Was ihm und seinem Team am Herzen liegt: Die Szene will legal Farbe hinterlassen. Als „Hightech Production“, wie sich die Crew bei gemeinsamen Sprühaktionen nennt, wollen sie zeigen, dass nicht alles, was aus der Dose kommt, automatisch illegal und „Geschmiere“ ist. „Mit unserem Wandgemälde können wir beweisen, welches Potenzial die Potsdamer Graffiti-Szene hat. Wir haben ein hohes Level“, erklärt Sirius Seven.

Genug Raum für Graffiti-Projekte sei in Potsdam vorhanden, allein im Freiland gebe es 800 Quadratmeter frei zu gestaltender Fläche. Doch was nützt der Raum, wenn den jungen Leuten das nötige Taschengeld für die Sprühdosen fehlt? Dabei habe sich in Potsdam längst eine große, ernst zu nehmende Graffiti-Kunstszene etabliert, sagt Mücke 32. Für seinen Kollegen Jonas war das Sprayen „die Einstiegsdroge für die Kunst“, zunächst auf illegalen Pfaden. „Mit 14 und 15 bin ich nachts raus, habe Bilder gemalt.“ Ähnlich früh startete die Sprayer-Karriere von Mücke 32, mit zwölf Jahren auf der Straße. Alle drei kriechen längst nicht mehr durchs Gebüsch, auf der Jagd nach unbefleckten Wänden. Heute ist Graffiti für sie eine Kunst, die von „fähigen Leuten“ gemacht wird.

Ihr neuestes Werk können Freiland-Besucher am Wochenende bestaunen. Zum dritten Sub-–n–- Youthculture-Festival soll es fast fertig sein. Denn eigentlich sei so ein Gemälde aus Künstlerperspektive eine „niemals endende Geschichte“.
Von Diana Bade

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