2008-11-13 MAZ - EKLAT: Rederecht im Plenarsaal erzwungen

EKLAT: Rederecht im Plenarsaal erzwungen
Nötigung durch protestierende Jugendliche / Jakobs schließt bei Wiederholung Polizeieinsatz nicht aus

POTSDAM / INNENSTADT - Etwa 40 mehrheitlich schwarz gewandete und sonnenbebrillte Jugendliche erzwangen gestern mit Hilfe der Linken, der Anderen und der Grünen ein Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung. Überraschend waren sie mit Trillerpfeifen, Gejohle und den Transparenten der Wochenenddemonstration „Freiräume statt Schlossträume“ in den Saal gestürmt.

Stadtpräsident Peter Schüler verweigerte ihnen zunächst das Rederecht mit dem Hinweis, jeder Bürger müsse es zuvor beantragen. „Wie langweilig“, kam es zurück. Die Eindringlinge skandierten „Mikro an!“ Schüler erklärte die Sitzung für geschlossen. In dieser aufgeheizten Atmosphäre beantragte Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, das Rederecht zu gewähren. Ute Grimm von den Anderen unterstützte ihn. Dagegen sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs, er sei „nicht bereit, unter diesem Druck eine Abstimmung durchführen zu lassen“. Er sprach von „Nötigung“.

Trotz Sitzungsunterbrechung ließ Schüler abstimmen. Ergebnis: eine Mehrheit für das Rederecht. Die Linken und die Anderen hatten sofort die Arme gehoben; als es nicht reichte, zeigten auch die Grünen und SPD-Mann Volker Klamke ihre Stimmkarten. Die Unterlegenen verließen samt Oberbürgermeister unter Protest den Plenarsaal, während die Jugendlichen ihre Erklärung verlasen. Sie forderten die Aufklärung des Polizeieinsatzes vom Sonntag, Räume für den Spartacus e.V. und den Klub „S 13“, Graffiti-Flächen sowie die Erhaltung des Archivs, der Skaterhalle und der kürzlich besetzten „La Datscha“.

Nach dem Abzug der Demonstranten sagte Scharfenberg zu Jakobs: „Sie wollten doch sicher nicht, dass die Jugendlichen mit Polizeigewalt aus diesem Saal gebracht werden.“ Er würde je nach Situation „nicht davor zurückschrecken, die Polizei zu holen“, sagte Jakobs der MAZ. Protest sei legitim, aber die Form der „Erpressung und Einschüchterung“ habe alle demokratischen Spielregeln verletzt. Jakobs schrieb es der „Unerfahrenheit“ des neuen Stadtpräsidenten Schüler zu, dass das Präsidium nicht sofort und in Ruhe diskutiert hatte, wie mit der Situation umzugehen sei. (Von Volkmar Klein)

Quelle: MAZ 13.11.2008