2008-10-16 PNN - Archiv in Bedrängnis

Archiv in Bedrängnis
Debatte über Standorte der Soziokultur / Demonstration „Freiräume statt Schlossträume“ angemeldet

Die alternativen Kulturstandorte in der Landeshauptstadt sind um ein Sorgenkind reicher. Nach den Problemen des Waschhauses in der Schiffbauergasse und des Lindenparks in Babelsberg steht auch das Archiv in der Leipziger Straße vor großen Problemen. Etwa eine Million Euro müssten sofort in das marode Gebäude investiert werden, wenn dort weiter Veranstaltungen stattfinden sollen, hieß es gestern gegenüber den PNN. Die Summe sei nicht für eine Luxussanierung erforderlich, sondern um die Auflagen für den Brandschutz, die Versammlungsstättenverordnung und die Hygiene zu erfüllen. Wie Bürgermeister Burkhard Exner gestern Abend im Hauptausschuss erklärte, sei mit den Mietern vertraglich geregelt, dass sie keine Miete für das Haus mit 3000 Quadratmetern Nutzfläche zahlen müssen, dafür aber die Instandhaltungskosten tragen. Und das seit elf Jahren, so Exner.

Die Hauptausschussmitglieder haben sich gestern Abend für einen Verbleib des Archivs an diesem Standort ausgesprochen, den Verein jedoch nicht von seinen Pflichten befreit. Bis zum 26. November soll ein Ergebnis der nötigen Sofort- und Brandschutzmaßnahmen vorliegen, bis März 2009 ein detaillierter Sanierungsplan. Inoffiziell wird von bis zu vier Millionen Euro für eine Komplettsanierung ausgegangen.

„Ich habe den Eindruck, das ist der schleichende Rückzug von diesem Standort“, sagte Hans-Jürgen Scharfenberg von den Linken, der mit seinem Antrag allein den Oberbürgermeister in die Pflicht nehmen wollte, für das Fortbestehen des Archivs zu sorgen. „Ich bin verwirrt“, sagte Scharfenberg während der Diskussion um das Archiv. Mike Schubert (SPD) bezeichnete das Anliegen Scharfenbergs als einen Blankoscheck, der nicht ausgestellt werden dürfe. Einig waren sich die Stadtverordneten, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, sie wollten das Archiv abwickeln. Als Ausweg nannte Exner gestern zwei Möglichkeiten: Erstens, der Verein bleibe weiter mietfrei in dem Haus und stemme die Kosten allein. Oder zweitens, der Verein zahle Miete für die Räume, über die sich die Sanierungen rechnen. Michael Schröder (CDU) sagte, auch die Möglichkeit einer Erbbaupacht sollte einbezogen werden. Bekanntgeworden sind die maroden Zustände des Hauses und die drohende Schließung nach einer Brandschau der Feuerwehr kurz nach der Kommunalwahl. Diese Begehung sei im Einverständnis mit dem Archiv-Verein gewesen, sagte Wolfgang Hadlich, Mitarbeiter des Oberbürgermeisterbüros.

Die Mitglieder des Hauptausschusses hatten es gestern vor allem mit Standorten und Themen der Soziokultur in Potsdam zu tun. Sie sprachen sich mehrheitlich gegen ein Anliegen der Linken aus, das Interessenbekundungsverfahren für den Betrieb der beiden Standorte Lindenpark und Waschhaus im Nachhinein einzuschränken. Die Linke vermutet, dass ein spezieller Bewerber für beide Standorte bereits seit langem als Favorit gilt und wollte daher, dass ein Träger nicht beide Einrichtungen bekommt. Das Interessenbekundungsverfahren hat in der letzten Nacht geendet. Ein Bewerber steht schon fest: Der jetzige Lindenpark-Geschäftsführer Dirk Harder. Dies bestätigte er gestern den PNN – ohne allerdings nähere Informationen über die Art seines Konzeptes geben zu wollen. Allerdings werde der insolvente Lindenpark e.V. sich nicht mehr als Träger bewerben, so Harder.

Ebenso hat die Verwaltung einen neuen Standort als vorübergehenden Ersatz für einzelne Partys des Spartacus e.V. ins Spiel gebracht: Die frühere Humboldt- Buchhandlung, also das Erdgeschoss neben der Stadt- und Landesbibliothek. Es sei ein Standort, der in der Prüfung sei, sagte Hadlich. Das Problem Jugend- und Soziokultur dürfte die Stadt auch in den nächsten Wochen beschäftigten. Lutz Boede (Die Andere) hat für den 8. November eine Demonstration unter dem Motto „Freiräume statt Schlossträume“ angemeldet. Jan Brunzlow/ Henri Kramer

Quelle: PNN vom 16.10.2008