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ATLAS
Sie sind so frei

Die Stadt Potsdam ergreift für die Unterbringung von Flüchtlingen inzwischen Notmaßnahmen - aber es gibt Streit. Über die Irrwege des Kulturzentrums „Freiland“ - ein Kommentar.

Die Nutzer des linksalternativen Jugendzentrums „Freiland“ wollen nicht, dass Asylbewerber neben ihrem Gelände untergebracht werden – zumindest dann nicht, wenn die Flüchtlinge in Hallen unterkommen und ihr alternativer Kulturbetrieb dadurch eingeschränkt würde. Im Klartext: wenn abends keine Veranstaltungen, keine Konzerte und Partys mehr stattfinden könnten, die mit ihrer Lautstärke die Menschen nebenan belasten und belästigen würden.

Selbst in einer Welt, die kopfsteht, war diese Nachricht durchaus bemerkenswert. Begründet wurde die Ablehnung seitens der „Freiland“-Akteure freilich vor allem mit „menschenunwürdigen Bedingungen“ für die Flüchtlinge in den zwei geplanten Leichtbauhallen. Aber eben auch mit dem Nachsatz: „Eine Unterbringung von Geflüchteten im Freiland ist nur unter Voraussetzungen denkbar, die einen weiteren Betrieb des Freiland als Kulturzentrum zulassen.“ Auch die „Freiland“-Nutzer wissen: Nächtliche Partys und Unterkünfte für zum Teil traumatisierte Flüchtlinge vertragen sich eben nicht.
Ist das die Solidarität, die sie meinen?

Aber ist das jene Solidarität, den die „Freiland“-Kommune immer von den anderen fordert? Jene Solidarität, die zahlreiche Menschen im Land schon erbringen, indem sie beispielsweise die Sporthallen in ihren Kommunen auf Zeit in Flüchtlingsunterkünfte verwandeln?

Da hilft es auch nicht, wenn die Freiländer auf leer stehende Immobilien in Potsdam verweisen oder die Fraktion Die Andere den Neubau von Sozialwohnungen fordert. Die Landeshauptstadt ist engagiert, macht im Vergleich zu vielen anderen Kommunen eine vorbildliche Flüchtlingspolitik. Doch das reicht nicht mehr. Leer stehende Immobilien wurden geprüft, gehören aber vielfach entweder nicht der Stadt oder sind zu sanierungsbedürftig, um Menschen darin unterzubringen. Und Wohnungen, ja, die wird die Stadt bauen. Aber das geht bekanntlich nicht von heute auf morgen.
Dem Anliegen einen Bärendienst erwiesen

Die Flüchtlinge jedoch, sie brauchen eine sichere, warme Unterkunft – und zwar von heute auf morgen. Umso dringender, je kälter es wird. Mit ihrer sturen Haltung scheren die Freiländer und seit Mittwoch auch ihre Unterstützer von der linksalternativen Fraktion Die Andere aus dem Konsens in der Potsdamer Stadtpolitik aus, die Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung gemeinsam, über alle politischen Grenzen hinweg, zu stemmen. Schon damit haben sie ihrem Anliegen einen Bärendienst erwiesen.

Und wer es zu Ende denkt: Wollen die „Freiland“-Aktiven jetzt, wo die Stadt ernsthaft erwägt, die zwei Leichtbauhallen an dem Kulturzentrum aufzubauen, gegen die Unterbringung von Flüchtlingen dort protestieren?