2022-03-20 MAZ - Urban Gardening: Zwischen „Heiliger Honig“ und Bauprojekten

Gemeinschaftliche Stadtbegrünung Urban Gardening: Zwischen „Heiliger Honig“ und Bauprojekten

Ungenutzte Friedhofsflächen, Kultureinrichtungen, Schulhöfe: Städtische Grünflächen werden vielerorts als gemeinschaftliche Gärten oder Freizeitorte genutzt. Doch der Beton breitet sich weiter aus.

Achim Trautvetter, Geschäftsführer der Kultureinrichtung freiLand, blickt aus dem Fenster eines Wohnwagens. Die Nutzung von städtischen Flächen in Siedlungsgebieten - sogenanntes Urban Gardening - erfreut sich auch in der Stadt Potsdam einer wachsenden Beliebtheit. Neben den Bienenstöcken gibt es auf dem Areal etwa 15 Beete.|100%x100%

Achim Trautvetter, Geschäftsführer der Kultureinrichtung freiLand, blickt aus dem Fenster eines Wohnwagens. Die Nutzung von städtischen Flächen in Siedlungsgebieten - sogenanntes Urban Gardening - erfreut sich auch in der Stadt Potsdam einer wachsenden Beliebtheit. Neben den Bienenstöcken gibt es auf dem Areal etwa 15 Beete. Quelle: Soeren Stache/dpa

Potsdam

In Brandenburg werden städtische Flächen gerne von Anwohnerinnen und Anwohnern zum Gärtnern genutzt. Um den Seegarten, einen Gemeinschaftsgarten am Treffpunkt Freizeit in Potsdam, kümmern sich inzwischen zehn Familien. Anwohnerinnen und Anwohner hatten das Areal in dem Familienzentrum und Mehrgenerationenhaus am Heiligen See vor rund acht Jahren gegründet.

„Heiliger Honig“ und Zuckerschoten

„Es war uns wichtig, einen grünen Raum zu haben, wo wir nach Arbeit, Schule und Kita zusammenkommen können“, sagt Larissa Donges, die seit Anfang an dabei ist. Auf dem Areal direkt am See wird verschiedenstes Gemüse angebaut: Zuckerschoten, Mangold, Kartoffeln, Möhren. Auch Bienenvölker leben hier. Den Honig verkauft die Gartengemeinschaft unter dem Namen „Heiliger Honig“ in einem Regioladen am Bassinplatz. „Wir profitieren vom Wissenaustausch“, sagt Donges. Klare Zuständigkeiten gebe es aber nicht. „Das war der Gemeinschaft wichtig.“

Die Nutzung von städtischen Flächen in Siedlungsgebieten - sogenanntes Urban Gardening - erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit. „Wir haben einen kontinuierlichen Zuwachs von 10 bis 15 Prozent“, sagt Christa Müller vom Vorstand der Anstiftung, die Urban-Gardening-Projekte fördert und auf ihrer Webseite eine nach eigenen Angaben eine fast tagesaktuelle Liste von Gemeinschaftsgärten pflegt. 27 solcher Gärten gibt es demnach landesweit. Da der Wohnungsbau Grünflächen immer weiter verdränge, wichen viele auf vorübergehende Plätze aus, die sie zumindest eine Zeit lang begrünen können, sagt die Soziologin.

Gärtnern als Blick über den Tellerand

Auch nicht mehr genutzte Friedhofsflächen würden mehr und mehr zum Gärtnern benutzt. Auf dem Gelände der Kultureinrichtung freiLand in der Nähe des Potsdamer Hauptbahnhofs haben sich inzwischen rund 10 bis 15 Beete angesiedelt, sagt Geschäftsführer Achim Trautvetter. Auch hier stehen Bienenvölker. Die offene Werkstatt „Machbar“ hat die Bienenstöcke verkabelt: Über den „Bienenmonitor“ kann überprüft werden, wie viel Honigernte in den Stöcken liegt oder ob sich ein Bienenvolk aufteilt, erklärt Christoph Sterz.

Ein bunt bemalter Wohnwagen mit der Aufschrift „Integrationsgarten“ steht auf dem Gelände des Integrations- und Internationalen Schulgartens im Potsdamer Wohngebiet Schlaatz.|100%x100%

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Die Nutzung von städtischen Flächen in Siedlungsgebieten - sogenanntes Urban Gardening - erfreut sich auch in der Stadt Potsdam einer wachsenden Beliebtheit

Das Problem mit der Verdrängung durch Bauprojekte kennt auch Frauke Havekost, stellvertretende Vorsitzende vom Brandenburgischen Kulturbund, der im Potsdamer Wohngebiet Schlaatz den Integrations- und Internationalen Schulgarten betreibt. Der Garten soll rund 200 Meter umziehen, da die Stadt einen Sportplatz bauen will. „Uns ist wichtig, dass wir bei der Planung mitreden können“, sagte Havekost.

Der Landesverband beschreibt den Garten auf seiner Webseite als „exotische Insel“, in dem man auf Menschen aus Deutschland, der Ukraine, Moldawien, dem Kosovo, Vietnam, Russland, Ungarn, Litauen, Rumänien und Afrika trifft. Es gehe um den Blick über den Tellerrand und darum, die Angst vor dem Fremden zu überwinden, sagt Havekost. Das gelinge beim Gärtnern gut.

Von RND/dpa

Quelle: MAZ vom 20.03.2022

2022_03_20_MAZ_Urban_Gardening.pdf (5,1 MB)