2017-08-07 Junge Freiheit Der Punk starb in Potsdam

Der Punk starb in Potsdam

Gary Oldman als Punk-Legende Sid Vicious mit nacktem Oberkröper: Im „Spartacus“ Potsdam unerwünscht Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

„Punks not dead“, sang 1981 die britische Band The Exploited auf ihrem gleichnamigen Debutalbum und schuf damit die Losung: Punkrock never dies. Wahrer Punk stirbt niemals. Schließlich ist Punk nicht nur eine Musikrichtung, sondern eine Lebenseinstellung. Eine Kampfansage an das Establishment. Fuck the system!

Doch nun ist das geschehen, was niemand für möglich gehalten hat: Der Punk ist gestorben. In Potsdam wurde er zu Grabe getragen. Zwar segnete er bereits vor Weihnachten 2016 dort das Zeitliche, die Todesanzeige erschien aber erst etwas später – auf der Internetseite des linken Jugendclubs „Spartacus“.

Dort rechtfertigte sich der Verein, daß er die Veranstaltung „Punkmare Before X-mas“ im Dezember vorzeitig abgebrochen hatte. Grund dafür war das Konzert der Berliner Punkband „No Exit“. Deren Sänger hatte sich während des Auftritts „seiner Oberbekleidung entledigt“, beklagten die Verantwortlichen des Jugendclubs. Und das gehe nun wirklich gar nicht. Nackter Oberkörper? No way!

Konfrontation mit Nacktheit
„Das Spartacus will als Ort und Kollektiv auch ein Schutzraum sein, in dem Formen von Diskriminierung, Übergriffigkeit und Trigger so gut wie möglich vermieden werden. Selbstverständlich ist uns klar, daß wir dabei nicht alle individuellen Befindlichkeiten und Situationen von vornherein berücksichtigen können, dafür sind wir Menschen zum Glück zu verschieden. Jedoch haben wir uns über die Jahre anhand unserer Erfahrung und dem Austausch sowohl untereinander, als auch mit Besucher*innen, auf einen Grundkonsens geeinigt, welcher Formen von Nacktheit, ohne ausdrückliche Vor- und Nachbereitung durch den Club ausschließt“, heißt es in der ausführlichen Stellungnahme.

Menschen, denen aufgrund ihrer persönlichen Geschichte durch die Konfrontation mit Nacktheit Unbehagen entstehe, solle so die Chance geben werden, jederzeit an Veranstaltungen im Club teilzunehmen und sich dabei sicher zu fühlen.

Einige „Gäst*innen“ könnten es aber offenbar immer noch nicht ganz nachvollziehen, weshalb wegen eines ausgezogenen T-Shirts gleich die gesamte Veranstaltung abgebrochen werden mußte. Diesen wolle man die damalige Entscheidung deshalb nochmals erklären.

Respektvolles Miteinander und Wohlfühl-Charakter
„Trotz kontinuierlicher Schlichtungsversuche im Gespräch gab es an dem Abend keine allgemein zufriedenstellende Lösung. Die Stimmung zwischen der Spartacus-Crew und den Künstlerinnen gestaltete sich zusehends hitzig. Zugleich wurden fortwährend Beschwerden über weitere entkleidete Menschen im Club durch Gästinnen an uns herangetragen.“

Deswegen habe man sich dann entschlossen, die Party zu beenden. „Letztlich soll eine Abendveranstaltung im „Spartacus“ allen Beteiligten einen Mehrwert an respektvollem Miteinander und Wohlfühl-Charakter bringen. Dieser Konzertabend konnte das nicht. Die einzig logische Konsequenz für uns war, die Veranstaltung nach den Konzerten vorzeitig abzubrechen.“

Es bestehe immer die Möglichkeit, sich im „Spartacus“ einzubringen und den Club mitzugestalten. Auch alle, die nun mit den Verantwortlichen in einen „konstruktiven Diskurs über Haltungen und Handlungen“ gehen wollten, seien dazu stets herzlich eingeladen. „Wir können jedoch nicht all unsere Grundsätze bei jeder Veranstaltung neu diskutieren und definieren – das tun wir lieber tagsüber (und nüchtern).“
Von Felix Krautkrämer

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