2017-07-31 MAZ „Wir sind keine Autonomen“

„Wir sind keine Autonomen“

Steffen Göths (l.) und Florian Schwabe von den Falken. Quelle: Friedrich Bungert

Nach einem Demonstrationstraining zum G20-Gipfel im Freiland-Jugendzentrum in Potsdam stehen die Falken in der Kritik. Im MAZ-Interview erklären Vertreter der sozialistischen Jugendorganisation, was es mit dem Training auf sich hat und beziehen Stellung zu den von AfD und CDU erhobenen Vorwürfen.

Teltower Vorstadt. Die sozialistische Jugendorganisation Die Falken steht nach einem Demonstrationstraining im Freiland-Jugendzentrum zum G20-Gipfel in der Kritik. Der Landesvorsitzende Florian Schwabe und sein Vorgänger Steffen Göths (beide 27) äußern sich zu den Vorwürfen.

Welche Tradition haben solche Demotrainings bei den Falken?

Florian Schwabe: In meiner Zeit als Mitglied des Vorstandes seit 2014 war es das erste Demotraining, das wir organisiert haben.

Das erste?

Schwabe: Wir sind tatsächlich überhaupt keine Anbieter von Demotrainings.

Steffen Göths: Wenn überhaupt, haben wir Demotrainings wo anders besucht. Bei Solid, den Jusos oder anderen Jugendverbänden. Es war jetzt das erste Mal seit langem, dass wir als Landesverband gesagt haben, wir machen das für unsere interessierten Jugendlichen selbst.

Wenn der Verfassungsschutz im Pressegespräch mit Blick auf 2016 Demotrainings im Freiland kritisiert, geht die Falken das gar nichts an?

Göths: Richtig. Das Demotraining 2016 im Freiland haben nicht wir organisiert.

Aber haben damals auch Falken teilgenommen?

Göths: Wir wissen natürlich nicht immer, was jeder einzelne macht.

Schwabe: Ich wüsste gar nicht, von welchem Demotraining da die Rede ist.

Göths: Und der Bericht des Verfassungsschutzes ist leider immer noch nicht online. Ich hätte gern nachgelesen, worum es da ging.

In dem Bericht heißt es zu Potsdam: „Mit Hilfe von Demonstrations- und Blockadetrainings hat sich die Szene nach und nach professionalisiert“, und an anderer Stelle: „Zusätzlich professionalisiert sich die autonome Szene mit Blockadetrainings und Selbstverteidigungskursen.“

Schwabe: Gut, da wir nicht autonome Szene sind, ist es offensichtlich nichts, was uns betreffen könnte.

Wer war Ihr Coach, mit wem haben Sie als Veranstalter Ihres Demotrainings kooperiert?

Göths: Das war die Gruppe Skills for Action. Inhaltlich gab es einen Input von der Linksjugend Solid.

Skills for Action – was ist das für eine Gruppe?

Göths: Sie bieten Vorbereitungen aller Art an, vor allem rechtliche Hinweise.

Wie lange dauerte das Training?

Schwabe: Es war ein Halbtagsseminar.

Was stand auf dem Plan?

Schwabe: Zur Hälfte gab es inhaltlichen Input. Die Idee des Trainings ist aus den Reihen unserer Jugendlichen gekommen, die sich zu G20 positionieren wollten, die auch zur Demonstration fahren wollten. Wir als Ältere und betreuende Menschen haben gesagt, das geht nicht ohne Vorbereitung. Gerade weil es so ein Großereignis ist. Und weil frühere Großtreffen wie G7 in Elmau und G8 in Rostock gezeigt haben, dass Demonstrationen nicht immer problemlos über die Bühne gehen, sagten wir: Es muss ein inhaltlicher Input rein damit alle wissen, worum es geht. Was ist unsere Kritik an G20? Und danach gab es eine rechtliche Einweisung durch Skills for Action. Und es gab praktische Sachen wie Transpi-Malen et cetera.

Was meint et cetera?

Göths: Zum Beispiel die Frage: Wie verhalte ich mich. Wie geht gewaltfreie Kommunikation in Auseinandersetzungen. Techniken der Körpersprache wie die Hände hochzunehmen um zu zeigen: Ich mache nichts, ich bin friedlich. Versuchen, beruhigend auf Leute einzureden. Was wichtig ist: Menschen handeln oft impulsiv. Und wenn alle losrennen, ist das nicht immer richtig. Und dann klären wir in unserer Kleingruppe von fünf, sieben Leuten, was machen wir, wie geht es uns? Und wenn sich Leute unwohl fühlen, heißt das, wir gehen. Wenn von sieben Leuten nur einer sagt: Mir ist das hier zu heiß, dann gehen alle.

Schwabe: Es geht auch darum, dass wir in der Gruppe sehr defensiv agieren. Dass wir uns nicht auseinanderbringen lassen, weil wir so einfach einen größeren Schutz haben.

Skills for action bieten laut Internetseite auch Blockadetrainings an. Haben Sie das auch geübt?

Göths: Nein. Es gibt ja immer einen vorher vereinbarten Aktionskonsens der verschiedenen Veranstalter. Der Konsens war für die Großdemo am Sonnabend, nichts zu blockieren. Und deshalb stand es auch nicht auf der Tagesordnung.

Sie haben das vor der Demo vereinbart?

Schwabe: Genau. Das ist wie ein Reiseplan. Man will auf dem Weg in so eine Millionenstadt wie Hamburg ja auch nicht ins Blaue hineinlaufen, sondern schon wissen, worauf man sich einlässt.

War Vermummung ein Thema?

Göths: Im rechtlichen Zusammenhang. Dass es verboten ist. Es ist Bestandteil der Schulung des Versammlungsrechts, klarzumachen, was erlaubt ist und was nicht.

Es kam vom Potsdamer CDU-Fraktionsvorsitzenden Matthias Finken in der Diskussion um das Demotraining die Überlegung, die Freiland-Förderung Sportvereinen zukommen zu lassen. Er schrieb: „Bei denen wissen wir, wie unser aller Geld verwendet wird.“ Was sagen Sie dazu?

Schwabe: Man kann sich einfach angucken, was das Freiland macht, das steht nämlich auf der Website. Man kann auch hingehen und fragen. Es ist ja kein Geheimbund.

Göths: Ich fände es aber gut, wenn die Sportvereine Demotrainings anböten.

Wie viele Leute haben teilgenommen an diesem Training und warum haben Sie es eigentlich Training genannt und nicht Schulung?

Schwabe: Es waren 20 Leute zwischen 16 und 22 Jahren.

Göths: Schulung, da steckt Schule schon drin, und das ist nicht unbedingt attraktiv für Leute in diesem Alter. Demo- oder Aktionstraining klingt einfach attraktiver als Vorbereitungstreffen zum Versammlungsrecht. Das ist halt jugendgerechte Sprache.

Welche Jugendverbände bieten eigentlich außer Ihnen noch solche Demotrainings an?

Schwabe: Die Jusos, die Linksjugend, Solid, die Gewerkschaftsjugend, die Naturfreunde. Ich habe gesehen, dass auch die BUND-Jugend zu G20 ein Vorbereitungstraining hatte.

Sind Sie mit Ihren 20 Leute oder in einer größeren Gruppe nach Hamburg gefahren und an welcher Demonstration haben Sie sich beteiligt?

Schwabe: Wir sind mit 20 Leuten gefahren. Wir haben uns Freitag am Bildungsstreik beteiligt, der vom Bündnis Jugend gegen G20 mit mehreren Jugendverbänden organisiert war. Es waren 3000 Teilnehmer, alles war friedlich und bunt.

Keine Wasserwerfer?

Göths: Es lief tatsächlich problemfrei.

Schwabe: Am Samstag haben wir an der Großdemonstration von insgesamt 80 000 Leuten teilgenommen, die auch über große Strecken sehr friedlich abgelaufen ist. Wir sind im Jugendblock mitgelaufen, der vom Bündnis Jugend gegen G20 organisiert war.

Sind Ihre 20 Leute gut nach Hause gekommen?

Göths: Ja.

Hat sich die Stadt im Rahmen der Diskussion um das Demotraining bei Ihnen gemeldet?

Schwabe: Bei uns im Landesbüro ist außer Pressenfragen nichts weiter angekommen.

Sie wurden mit 220 Euro vom Land gefördert?

Göths: Das kommt so hin. Das Honorar für die Referenten, ein bisschen was zu knabbern und zu trinken.

Auch Landesbehörden sind noch nicht an Sie herangetreten?

Göths: Wir wissen von nichts.

Schwabe: Doch. Wir haben jetzt eine Einladung bekommen von der Staatskanzlei zum Zentralen Fest der Deutschen Einheit. Also ganz so schlimm scheint es nicht zu sein.

Wann kam diese Einladung – vor oder nach Hamburg?

Schwabe: Nach dem G20-Treffen.

Die Falken und das Freiland-Jugendkulturzentrum
Steffen Göths war von 2010 bis 2016 im Vorstand, ab 2012 Landesvorsitzender der Falken. Florian Schwabe ist seit 2016 Landesvorsitzender der Falken.

Nach Angaben des Vorstands hat die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken in Potsdam rund 50 Mitglieder, in Brandenburg sind es rund 500, bundesweit 120 000.

Die Geschichte der Falken reicht bis zum Angang des 20. Jahrhunderts zurück, als erste Jugendvereine der Arbeiterbewegung gegründet wurden. Der Name Falken taucht erstmals Ende der 1920er Jahre auf. In der DDR wurden sie verfolgt.

Die Falken sind eine von mehr als 60 Gruppen, Initiativen und Einzelmietern auf dem Gelände des Freiland-Jugendkulturzentrums, das von der Stadt mit 190 000 Euro jährlich gefördert wurde.

Im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg gab es Kritik am Demotraining der Falken aus den Reihen von AfD und der CDU. Aufgegriffen wurde das Thema zur Präsentation des Verfassungsschutzberichtes für 2016. vo

Von Volker Oelschläger

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