2017-04-12 MAZ John Allen: Ausbruch aus dem Nachtschwarz

John Allen: Ausbruch aus dem Nachtschwarz

Ein Mann mit Reibeisenstimme und Klampfe: John Allen. Quelle: Promo

Akustisch, akkurat und aufwühlend – so wird es sein, wenn sich John Allen am Freitag im Freiland Potsdam vorstellt. Der Songwriter aus Hamburg hat im vergangenen Jahr sein viertes Album „Ghosts“ eingespielt. Mit Band hat er daher andere Spielräume. Aber der 33-Jährige liebt es, seine Songs in abgestrippter Form zu zelebrieren.

Potsdam. Ein alte Dame geht Heringe essen, heißt der alte Merksatz: EADGHE. Sechs Saiten in dieser Abfolge sind auf die Gitarre gespannt. Und John Allen, der weiß, wie er sie am besten zum Klingen bringt. Der in Hamburg lebende Songwriter ist bei seinem Auftritt im Freiland allerdings auf sich allein gestellt. Ganz im Gegensatz zu seinem vierten Album „Ghosts“, das er mit seiner Tour-Band, den Black Pages, im vergangenen Jahr eingespielt hatte. Volumen, Druck und instrumentale Vielfalt gilt es also durch Intensität, Ideen und flinke Finger zu ersetzen – womit Allen, wer ihn schon einmal gesehen hat, weiß es, keinerlei Schwierigkeiten haben dürfte.

Schon immer waren die Straße, das Reisen, das Alleinsein seine Lehrer. Einen großen Schub bekam John Allen, als er vor ein paar Jahren mit Frank Turner auf der Bühne stand. Der Folk-Punk aus England war fortan in den Songs des gebürtigen Limburgers zu spüren und – große Ehre – Turner ließ sich nicht lange bitte und sang Allans Lieder. Der indes emanzipierte sich künstlerisch.

Doch zurück zu den Geistern, mit denen Allen bei seinem akustischen Auftritt zu kämpfen hat. Der langsamen Walzer „Rain Won’t Change A Thing“ kreist samt klagender Geige um eine brüchige Liebesbeziehung. Im schleppenden Titel-Song fleht er mit viel Kraft in der heiseren Stimme Mary-Jane an, die „Ghosts“ fortzutanzen. Auch das Format von gut drei Minuten überschreitet der Musiker inzwischen gelegentlich. Wie in „Darkness“, einer langen, dunklen, verzweifelten Geschichte, die daher gemessen und daher angemessen erzählt sein soll. Wer ist die Puppe? Wer der Meister, der sie führt? Was, wenn wir nur eine Story sind, die jemand anderes erzählt? Dazu zischelt das Becken des Schlagzeugs wie eine wissende Schlange und das Keyboard erzeugt dämonisches Rauschen. Wer verbirgt sich hinter dem Vorhang und bohrt schließlich den Dolch ganz tief hinein in deine Seele? Welchen Gewissheiten ist noch zu trauen?

John Allen horcht tief in sich hinein und bricht mit den Dämonen, wenn er das Tempo im Folk-Rock, die Betonung liegt es auf letzterem, anzieht oder bluesige Färbungen einflicht. Überhaupt die musikalischen Ahnenreihe: Bei John Allen, der englische Literatur und Geschichte studierte, tauchen da Bruce Springsteen, Tom Waits oder The Gaslight Anthem auf.

Als besonderen Gast hat sich John an diesem Abend René Dohrmann eingeladen. Letzter könnte dem einen oder anderen von der Potsdamer Band The Grand Journey bekannt sein. Der Fünfer hat mit Folk, Blues und Americana auf sich aufmerksam gemacht – 2016 bei Rock am Löschteich.

Konzerttermin: John Allen singt am Freitag, dem 14. April, um 20 Uhr im Freiland Potsdam.
Von Ralf Thürsam

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