2016-11-30 PNN Kalte Zeiten

Kalte Zeiten

Platz für mehr. Potsdams Sozialdezernent Mike Schubert (l.) und der Leiter der neuen Spendensammelstelle der Stadt Potsdam, Thomas Hager, bei der Eröffnung am Dienstag. Vor allem Jacken, Pullover und feste Mäntel fehlen. Foto: Andreas Klaer

Potsdam hat wieder eine Spendensammelstelle für Bedürftige, nachdem die bisherige Stelle in der Haeckelstraße wegen möglicher Schadstoffbelastung schließen musste. Was noch fehlt, ist Winterkleidung.

Potsdam - Am gestrigen Dienstag hat in Drewitz der neue Standort der zentralen Spendensammelstelle für Geflüchtete und andere Bedürftige eröffnet. Sie soll die bisherige Sammelstelle in der Haeckelstraße ersetzen, die Ende Juli wegen des Verdachts auf Schadstoffbelastung schließen musste. Jetzt fehlen – ausgerechnet zu Beginn der kalten Jahreszeit – massenhaft Kleider und Kinderspielzeug, die Stadt ruft zu Spenden auf. Ein Überblick über die Situation und wie es dazu kommen konnte.

Was war das Problem in der Haeckelstraße?
Bei einer obligatorischen Schadstoffuntersuchung der Raumluft waren im Juli wie berichtet Schwebstoffe gefunden worden, wie Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) sagte. Die Untersuchung der im Dezember vergangenen Jahres angemieteten Gebäude war erst nachträglich durchgeführt worden – wegen der Ausnahmesituation durch die Flüchtlinge wurde zunächst darauf verzichtet. Die Belastung steht im Zusammenhang mit dem im Gebäude verbauten Deckendämmstoff. Es handele sich aber nicht um Asbest. Ein entsprechendes Gutachten werde noch in diesem Jahr Klarheit über den Schadstoff bringen. Details nannte Schubert nicht.

Ist der Schadstoff gefährlich?
Das steht noch nicht fest. Bei den Mitarbeitern der Sammelstelle wurden bei einer ärztlichen Untersuchung jedenfalls keine „Gesundheitsbeschwerden“ gefunden. Laut Schubert wurde die Sammelstelle vorsorglich geschlossen, als Vorsichtsmaßnahme. Befürchtet wird aber, dass sich der Schadstoff in den Kleidungsstücken festgesetzt hat und damit weiter Schädigungen verursachen kann.

Warum liegt der Standort in Drewitz?
Die Hallen in der Slatan-Dudow-Straße waren Ende vergangenen Jahres als Notunterkunft aufgebaut worden und stehen seitdem wegen der zurückgegangenen Flüchtlingszahlen leer. Um schnell Ersatz zu schaffen, entschied sich die Stadtverwaltung für Drewitz als Standort. Allerdings kam es auch hier zu Verzögerungen. Ursprünglich war geplant, bereits im Oktober Spenden an Bedürftige ausgeben zu können. Dann wurden undichte Stellen in den Hallendächern entdeckt, die zunächst repariert werden mussten.

Was fehlt in der neuen Einrichtung?
Kleider. Laut Schubert besteht zurzeit besonders großer Bedarf an winterfesten Jacken, Mänteln, Pullovern sowie an Schuhen. Begehrt seien vor allem die gängigen Größen S,M und L, hieß es. Auch Koffer und Synthetik-Decken fehlen. Spielwaren und Haushaltsartikel werden ebenso gerne angenommen. Elektronische Geräte, Möbel, defekte oder verschmutzte Sachspenden müssen jedoch abgelehnt werden. Laut dem Leiter der Spendensammelstelle, Thomas Hager, werden die Kleider nicht gewaschen. Aktuell hat die neue Sammelstelle ein durchaus überschaubares Angebot. Dies werde sich aber schnell ändern, hofft Schubert. Unter anderem sei am Dienstag eine Lieferung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) eingetroffen.

Wer kann die Spenden annehmen?
Neben Geflüchteten können auch alle anderen Bedürftigen das Angebot nutzen. Die Öffnungszeiten sind im Vergleich zum alten Standort erweitert worden. So hat die Sammelstelle ab sofort immer montags und donnerstags von 13 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Dienstags können Spenden von 6.30 Uhr bis 12 Uhr und mittwochs und freitags von 9 Uhr bis 13 Uhr abgegeben werden. Die vier Mitarbeiter der Sammelstelle sind telefonisch unter Tel.: (0172) 850 10 31 oder Tel.: (0331) 289 15 19 sowie unter spendensammelstelle@Rathaus.Potsdam.de zu erreichen.

Was passiert mit den alten Kleidern?
Entscheidend ist hier das Gutachten: Aktuell sind die Kleider noch in der Haeckelstraße eingelagert. Es handelt sich um rund sieben Tonnen oder 30 Kubikmeter Stoff. Man hoffe, die Ware noch verteilen zu können, sobald das Gutachten vorliege, so Schubert. Falls nicht, müssten die Kleider industriell gewaschen oder als Sondermüll entsorgt werden. Beides werde nicht billig, sagte er.

Wie ist die Situation in den Flüchtlingsunterkünften?
Derzeit seien die Standorte zu 80 Prozent ausgelastet, sagte der Flüchtlingskoordinator der Stadt, Jörg Bindheim, den PNN. Da gebe es nicht viel Spielraum. In diesem Jahr nahm Potsdam laut Bindheim 630 Geflüchtete auf, nach insgesamt 1494 Asylsuchenden 2015. Das kommende Jahr ist aufgrund der Lage in Syrien und der Unsicherheiten in Bezug auf das Rücknahmeabkommen mit der Türkei laut Bindheim schwer kalkulierbar. Allerdings: Neue Standorte sind derzeit auch nicht in Planung. Stattdessen wurden sogar die Unterkünfte Sandscholle in Babelsberg sowie der Wohnungsverbund Haeckelstraße in Potsdam-West in diesem Jahr geschlossen. Auch die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in der Heinrich-Mann-Allee wird zum Jahresende dicht gemacht.
von Stefan Engelbrecht

Hintrgrund
Die Initiative Potsdam-Konvoi ruft noch bis zum 7. Dezember zu Spenden für Kriegsflüchtlinge auf, die in Griechenland gestrandet sind. Benötigt würden vor allem warme Kleidung, Decken und Schlafsäcke für die kalten Wintertage. Noch immer würden in Griechenland viele Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben. Die offiziellen Lager seien größtenteils völlig überfüllt und bloße Verwahranstalten fern der Öffentlichkeit. Die Sachspenden werden den Angaben zufolge auf dem Gelände des Flüchtlingsheims im Lerchensteig zwischengelagert und sortiert. Eine Darmstädter Hilfsorganisation werde die Spenden dann kurz vor Weihnachten abholen und nach Griechenland bringen. Abgegeben werden können sie unter anderem im Buchladen Dronte in der Charlottenstraße 100. Die Initiative Potsdam-Konvoi ist zu erreichen unter Tel.: (0157) 501 088 87 oder info@potsdam-konvoi.de. sen

http://www.pnn.de/potsdam/1135722/
http://www.pnn.de/potsdam/1135727/
2016-11-30 PNN Kalte Zeiten.pdf (116,6 KB)