2016-06-27 PNN Afrika auf 41 Quadratmetern

Afrika auf 41 Quadratmetern

Exotische Vielfalt. Vieles in den Regalen gibt es in üblichen Supermärkten nicht. Bei Evelyn Anthony Enoma gibt es Stockfisch-Köpfe, große Yams-Wurzeln, Kochbananen und auch afrikanische Pflegeprodukte für Haare. Foto: Andreas Klaer

Evelyn Anthony Enoma hat sich ihren Traum erfüllt und Potsdams erstes Geschäft für afrikanische Lebensmittel eröffnet. Die Kundschaft? Eine lebendige afrikanische Community in Potsdam.

„Achi“, „Banga“, „Ehuru“ – wer sich die Etiketten der Produkte im „Divine Increase Afroshop“ anschaut, ist erst mal etwas ratlos. Was verbirgt sich hinter all den exotischen Bezeichnungen? Inhaberin Evelyn Anthony Enoma ist gerne bereit, Neukunden durch den Laden zu führen und alles zu erklären: „Das ist Bananen-Mehl, das sind Entenfüße und das sind ‚Bitter Leafs’, das essen wir vor allem in Nigeria gerne.“ Seit November 2015 existiert das kleine Geschäft in der Heinrich-Mann-Allee 16, Potsdams einziger Laden für afrikanische Lebensmittel und Produkte.
Enoma lebt seit 16 Jahren in Potsdam, seit sie aus ihrer Heimat Nigeria geflüchtet ist. Schon kurz nach ihrer Ankunft hatte sie die Idee, sich selbstständig zu machen und einen eigenen Laden zu eröffnen: „Das war seit vielen Jahren mein Traum.“ Bis dahin war es ein weiter Weg: Nach ihrer Ankunft in Potsdam wohnte sie lange im Wohnheim, besuchte Deutsch- und Computerkurse, versuchte sich weiterzuqualifizieren. 2009 machte sie eine Weiterbildung als Verkäuferin, zwischendurch arbeitete sie im Café Heider, in einem Restaurant in Drewitz und in einem Fitnessstudio in Berlin. Ihr Wunsch nach Selbständigkeit stieß lange auf Ablehnung; es sei kein Geld dafür da, hieß es im Jobcenter: „Das sagte man mir immer wieder: Das geht nicht. Ich hatte keine Chance. Aber ich habe nicht aufgegeben.“

Die Raumsuche war schwierig
2013 kam sie in Kontakt mit der Potsdamer Agentur Social Impacts, die Gründer und soziale Initiativen unterstützt. Sie besuchte ein Seminar für Selbstständige und erhielt Start-Hilfe von Social Impacts-Mitarbeiter Andre Hohenstein: „Er sagte: Ok, ihre Idee ist interessant, ich arbeite mit ihnen.“ Zusammen erstellten sie einen Business-Plan und suchten nach einer passenden Immobilie. Einen Raum zu finden war schwierig, doch Ende 2015 war es soweit: Enoma konnte ihr 41 Quadratmeter großes Geschäft eröffnen. Den Namen „Divine Increase“ (etwa: Göttliche Erhöhung) hat sie gewählt, da sie gläubige Christin ist.
Vieles in den Regalen sieht man normalerweise in keinem Supermarkt: Stockfisch-Köpfe etwa, große Yams-Wurzeln, „Gari“ (ein Polenta-ähnliches Mehl aus Maniok), Kochbananen, verschiedenste Sorten von Bohnen und auch einige afrikanische Pflegeprodukte für Haare. In der Tiefkühltruhe liegen große Makrelen, „Bobolos“ (gekochte Maniok-Stifte), Ziegenfleisch und Rinderhaut. „Die braucht man für Ogbono, ein nigerianisches Gericht“, sagt Enoma. Aus der Haut wird eine Suppe mit Egusi-Samen, Bitter Leaf und Palmöl gemacht.

Nicht nur Kunden aus afrikanischen Ländern
Viele ihrer Kunden kommen aus Togo, Kamerun, Nigeria, Sierra Leone, Ghana und Kenia. „Aber auch Deutsche kaufen oft hier ein, vor allem Maniok, Yams-Wurzeln, Okra-Schoten, Erdnüsse oder Bananenchips“, sagt Enoma. Auch Tschader waren schon in ihrem Geschäft: „Für deren Küche habe ich noch nicht so viel“, sagt sie. „Aber wenn jemand kommt und sagt, ich brauche das und das, dann bestelle ich es.“ Ihre Produkte bezieht sie von einem afrikanischen Großhändler aus den Niederlanden. Das Grundsortiment zusammenzustellen, sei nicht schwierig gewesen: „Ich kenne viele der Afrikaner in Potsdam seit Jahren und weiß genau, was sie essen“, sagt Enoma.
Tatsächlich gibt es eine kleine afrikanische Community in Potsdam: Man kennt sich, man trifft sich, zum Beispiel auf Partys, Hochzeiten oder Taufen, sagt Enoma. „Das gilt vor allem für die Afrikaner, die seit mehr als zwei Jahren in Potsdam leben“, bestätigt Koko N’Diabi Affo-Tenin. Die gebürtige Togolesin lebt schon lange in Potsdam und ist seit 1999 Leiterin des Vereins „Bildung für Balanka“, der Austausch-Projekte zwischen dem togolesischen Dorf Balanka und Deutschland anbietet und Schulkindern afrikanische Lebensweisen näher bringt.

Afrikanische Kochkurse für jedermann
Durch die Flüchtlings-Bewegungen sind in den vergangenen Jahren immer wieder Menschen aus Afrika nach Potsdam gekommen. Affo-Tenin versucht, diese Menschen zu erreichen. Sie gehe in Flüchtlingsheime oder besuche Veranstaltungen für Flüchtlinge", sagt sie. Organisiert sind einige der Potsdamer mit afrikanischen Wurzeln im Internationalen Center für Deutsche und Migranten e.V. (ICDI). Sie veranstalten unter anderem einmal im Monat afrikanische Kochkurse für Jedermann im Friedrich-Reinsch-Haus am Schlaatz, das nächste Mal am 27. August.
Das ICDI und der Balanka-Verein werden zudem vom 8. Juli bis 6. August zahlreiche entwicklungspolitische Veranstaltungen anbieten, Höhepunkt wird das mittlerweile vierte Potsdamer Afrika-Fest Anfang August sein: Am Brandenburger Tor wird es dann ein buntes Fest mit afrikanischen Tänzen, Trommeln, Gospel-Musik, Maskerade, Akrobatik, Haarflechten und natürlich vielen kulinarischen Spezialitäten geben. Besonderer Gast wird der südafrikanische „Eggman“ Gregory da Silva sein, der es mit meterhohen Kopfbedeckungen aus Hunderten von Eiern bereits ins Guinnes-Buch der Rekorde geschafft hat.
Das Fest wird deutlich machen, wie lebendig die afrikanische Community in Potsdam tatsächlich ist. Laut Stadtverwaltung stammen etwa 3,9 Prozent der Potsdamer aus Afrika, vor allem aus Kamerun und Nigeria. Das entspricht rund 6500 Personen. Evelyn Anthony Enoma kennt natürlich nicht alle von ihnen, aber viele. Die meisten, die sie kenne, würden gerne in Potsdam leben, auch wenn es gelegentlich rassistische Anfeindungen gebe. „Ich würde sagen, zu 80 Prozent fühlen sich die meisten hier wohl“, sagt Enoma.
Von Erik Wenk

http://www.pnn.de/potsdam/1090040/
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