2016-05-26 PNN Von Potsdam nach Idomeni

Von Potsdam nach Idomeni

Eine Gruppe von freiwilligen Potsdamern engagiert sich dort, wo es besonders nötig ist: in Idomeni. Trotz Räumung des provisorischen Flüchtlingscamps wollen sie in wenigen Tagen an die mazedonische Grenze reisen.

Oft wurde es angekündigt und immer wieder aufgeschoben – doch nun ist es ernst geworden: Das provisorische Flüchtlingscamp bei Idomeni, im Niemandsland zwischen der griechischen und der mazedonischen Grenze, wird geräumt. Am Dienstag begannen griechische Polizisten, die rund 8500 Flüchtlinge, die teilweise über Monate in Zelten und ohne ausreichende Versorgung und Infrastruktur campiert hatten, auf Auffanglager im griechischen Landesinneren zu verteilen. „Die Frage ist, ob es dort für sie tatsächlich besser ist“, sagt Richard Jaletzki. Den Potsdamer bewegt das Schicksal der Flüchtlinge, die in Idomeni ausharrten, weil sie auf eine Öffnung der Balkanroute hofften, ganz besonders. In wenigen Tagen wird er sich gemeinsam mit acht weiteren Potsdamern auf den Weg in das Gebiet machen. Um zu helfen – trotz der Räumung.
Sechs Mitglieder der Gruppe sitzen an diesem Abend beisammen, um die letzten Vorbereitungen für die zweiwöchige Reise zu treffen. Seit vier Wochen planen sie bereits ihren Einsatz im Flüchtlingslager von Idomeni, knüpften Kontakte zu den gut vernetzten freiwilligen Helfern, Hilfsorganisationen und zu Ärzten, die sich in der Region befinden. Sie organisierten Medikamente, die dort besonders dringend benötigt werden und nur schwer zu bekommen sind. Und frischten den eigenen Impfstatus auf. Dass sie trotz der aktuellen Ereignisse fahren werden, steht für sie außer Frage. „In unmittelbarer Nähe des Camps gibt es weitere Flüchtlingslager“, sagt Jaletzki. Auch hier sei Hilfe dringend notwendig.

Sie haben sich in Potsdamer Flüchtlingsunterkunft kennengelernt
Die Potsdamer engagieren sich bereits länger für Flüchtlinge. Bisher hauptsächlich in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Heinrich-Mann-Allee, wo sie auch zueinander fanden. Die Gruppe ist bunt gemischt, zwischen 20 und Anfang 50, von der Physiklaborantin und dem Informatikstudenten bis zur Krankenschwester und der Sozialarbeiterin. Auch ein Fotograf und ein Journalist – beide noch im Studium – werden dabei sein und die Reise dokumentieren.
Am kommenden Montag ist es soweit. Die Gruppe wird ein Flugzeug nach Thessaloniki besteigen, sich dort ein Auto mieten und ins griechisch-mazedonische Grenzgebiet fahren. Im Gepäck dürfen Karten der Region, griechische SIM-Karten, reichlich Desinfektionsmittel, Einweghandschuhe und Taschenlampen nicht fehlen – es ist keine Urlaubsreise. Rund um Idomeni erwarten die Potsdamer bereits gut etablierte Strukturen. Neu eintreffende Helfer können an Informationsabenden teilnehmen, um über die notwendigen Arbeiten, organisatorische Fragen aber auch mögliche Probleme zu sprechen. Die Freiwilligen organisieren und vernetzen sich untereinander zum größten Teil über soziale Netzwerke wie Facebook oder WhatsApp.

Sicherheitskontakt nach Potsdam
Für jedes der drei großen Hilfsfelder Kleidung, Nahrung und Unterkunft gibt es mehrere Helferteams in Idomeni, denen sich die Potsdamer anschließen werden. „Wir wissen noch nicht so richtig, was auf uns zukommt“, gesteht Tanja Ballerstedt. Von der ursprünglichen Idee, Kleidung und andere Spendengüter nach Idomeni zu bringen, sind die Potsdamer inzwischen abgerückt: Zum einen gebe es auch in Griechenland sehr viele Spenden, zum anderen sei es billiger und effektiver, Sachen vor Ort zu kaufen und dann zu spenden. „Wir werden wahrscheinlich Lebensmittel verteilen, Kleider ausgeben, den Ärzten zur Hand gehen“, listet Franziska Kusserow mögliche Aufgaben auf.
Nicht zuletzt müssen die Helfer auch an ihre eigene Sicherheit denken. „Wir haben hier in Potsdam zwei Kontakte, bei denen wir uns täglich per SMS melden“, sagt Heidi Krohse, die ebenfalls Teil des Teams ist. Eine Liste von Anwälten, die in der Flüchtlingshelferszene in Griechenland aktiv sind, gehört natürlich zum Reisegepäck. „Sollte es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen, halten wir uns komplett raus, wir wollen keine Partei ergreifen und uns auch nicht an Sitzblockaden oder ähnlichem beteiligen“, betont sie. Wichtig sei auch ein gemeinsamer Rückzugsort, an dem man sich abends in Ruhe treffen, füreinander da sein und über das Erlebte reden könne.

Die Ehrenamtler hoffen auf Spenden
Die Kosten für die zweiwöchige Reise werden die Potsdamer Helfer zum Teil aus privaten Mitteln bezahlen. Etwa 150 Euro pro Person sollen aus Spendenmitteln finanziert werden. „Unser Spendenziel sind 10 000 Euro“, erklärt Jaletzki. Der größte Teil davon wird an Hilfsorganisationen vor Ort weitergeleitet, die die an den geschlossenen Grenzen Gestrandeten mit wichtigen Medikamenten versorgen. 2000 Euro Spendengelder konnte die Gruppe bereits an einen Arzt weitergeben, der sich in Idomeni engagiert.
Auch nach ihrer Reise wollen sich die Freiwilligen weiter in der Flüchtlingshilfe engagieren und auch mit Fotoausstellungen und Straßenaktionen auf das Schicksal der Menschen aufmerksam machen.
Mehr Informationen unter anderem zum Spendenkonto und einen Blog gibt es im Internet unter www.potsdam-konvoi.de.
von Heike Kampe

http://www.pnn.de/potsdam/1080134/
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