2016-05-14 PNN Wodka ist wichtiger als Deutschland

Wodka ist wichtiger als Deutschland

_Alles muss in Flammen stehen. Das Flug im Spartacus. Foto: Sonja Kune_rt

Das Flug und Frittenbude spielten am Donnerstagabend im Spartacus
Ja, da war sie wieder, die Revolution – und ausgerechnet im Spartacus! Dass in dem traditionell linken Laden, der seit fast zwei Wochen durchgehend Geburtstag feiert, auf einen Donnerstag ein lange ausverkauftes Konzert stattfindet, hat schon etwas zu bedeuten. Noch dazu diese Partybands: Frittenbude gaben sich die Ehre, unterstützt von den Berliner Electropunks Das Flug. Sagt Ihnen nichts? Dann sind Sie wohl eher konservativ.
Im Spartacus lag nämlich Rebellion in der Luft. Zwischen wabernden Bässen und 8-Bit-Klängen, als hätte man ein Erdbeben an einen C64-Lautsprecher angeschlossen, skandierten nämlich schon Das Flug: „Alles muss in Flammen stehen, alles, alles!“ In blaues Licht und Nebelschwaden gehüllt zelebrierte das Duo einen Anachronismus, der eher in die 80er-Jahre gepasst hätte – eine Reminiszenz an die anarchistischen Zeiten der Neuen Deutschen Welle, irgendwo zwischen Andreas Dorau und DAF. Gut, musikalische Virtuosität sieht bestimmt anders aus als zwei singende Freaks am Synthesizer – aber diese ökologische Einnischung fand auch im Kopf statt und nicht im Herzen.
Und da scheint einiges in den Köpfen los zu sein: „Deutschland, du fühlst dich immer noch so deutsch an“, hieß es von Frittenbude, die im vergangenen Jahr noch klammheimlich im „Sparti“ geprobt hatten und nun hochoffiziell zurück sind. Das war auch ein Spagat zwischen Anheizen und Abkühlen: „Diese Flasche Wodka ist wichtiger als Deutschland!“, eine Parole mit Lizenz zum Verteilen. Die kleine Schwester von Deichkind riss den Laden kurzerhand ab – oder versuchte ihn zumindest in Schweiß zu ertränken. Nun ja, dass sich der Punk irgendwann mit dem Hip-Hop verbrüdern musste, war eine längst absehbare Fusion.
Bleiben höchstens noch die übrig, die über das zelebrierte Antideutschsein der Kapellen als Stellvertreter der Electropunk-Subkultur ins Nörgeln verfallen. Die waren an diesem Abend jedoch nicht da – und sie hätten auch nicht die Attitüde verstanden, die sich bereits vor mehr als dreißig Jahren Bahn brach: Diese Generation hat nämlich den völkischen Nationalismus als Feindbild erkoren. Mal wieder. Wurde auch irgendwie Zeit.
Von Oliver Dietrich

http://www.pnn.de/potsdam-kultur/1076982/
2016-05-14 PNN Wodka ist wichtiger als Deutschland.pdf (60,7 KB)