2016-02-17 PNN Proteste und Blockade-Aufrufe in Babelsberg

Proteste und Blockade-Aufrufe in Babelsberg

Wie in der Vorwoche bereitet sich die Polizei wieder auf den Pogida-Aufmarsch und die Gegenproteste, dieses Mal in Babelsberg, vor. Foto: dpa

Die Polizei bereitet sich auf den heutigen Pogida-Aufzug in Babelsberg vor, sie will mit 1000 Beamten vor Ort sein. Ein „Demotraining“ im Freiland sorgt weiterhin für Debatten.
Potsdam - Vor dem heutigen Pogida-Aufmarsch in Babelsberg haben Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) und das parteiübergreifende Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ zum „friedlichen, bunten und kreativen Protest“ aufgerufen. Exner, der den erkrankten Oberbürgermeister vertritt, erklärte in einer Mitteilung, auch dieses Mal müsse der Aufruf zu Hass und Fremdenfeindlichkeit mit einem deutlichen und lautstarken Protest beantwortet werden: „Lassen Sie uns friedlich für die Vielfalt der Kulturen demonstrieren und allen Rechtsradikalen zum wiederholten Male deutlich zeigen, dass sie in unserer Stadt nicht willkommen sind.“
Wie berichtet will der Potsdamer Ableger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung heute ab 18.30 Uhr durch die Großbeerenstraße im traditionell als links geltenden Stadtteil Babelsberg ziehen. Mehrere Gegenkundgebungen am Rand der Strecke sind angemeldet, es wird mit massiven Verkehrsbehinderungen gerechnet. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz mit mehr als eintausend Beamten vor.
„Der Schutz aller Versammlungsteilnehmer und der eingesetzten Polizeibeamten hat für mich auch dieses Mal oberste Priorität“, sagte der zuständige Polizeiführer Michael Scharf. Das gelte auch für die Gewährleistung des Versammlungsrechts für die angemeldeten Aufzüge. Bei den vergangenen Aufmärschen der zuletzt nur noch rund 100 Pogida-Unterstützer waren diese durch massive Polizeipräsenz abgeschirmt und konnten dadurch ihre sogenannten Abendspaziergänge gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes durchführen – Hintergrund war ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, nach dem die Polizei 2012 die Blockaden gegen einen NPD-Aufmarsch in Potsdam hätte räumen müssen (PNN berichteten). Auf Internetseiten der linken Szene kursieren seit Tagen Aufrufe, den Aufmarsch von Pogida zu stoppen oder ganz zu verhindern.
Diskussionen um Demotraining im Freiland
Für Debatten sorgte in dem Zusammenhang ein für Freitag angekündigtes Demotraining im städtisch geförderten Jugendzentrum „Freiland“. Motto: „Wie blockieren wir am erfolgreichsten einen Naziaufmarsch und können am besten den Bullenstrategien widerstehen?“ Verbunden wird das mit einem praktischen Erprobungsteil und einem Sanitätertraining. Die Freiland-Betreiber teilten mit, es gebe keinen Grund, die Anmietung für diese öffentlich beworbene Veranstaltung zu verbieten. Es handele sich um ein Angebot zu Information und Aufklärung. „Wir denken, es ist sinnvoll, sich im zivilgesellschaftlichen Rahmen an Demonstrationen zu beteiligen, sich sicher darauf bewegen zu können, Situationen einschätzen zu können, auf Mitmenschen achtzugeben und im Notfall Hilfe leisten zu können.“
Unterstützung kam von Linken-Kreischef Sascha Krämer: „Es ist wichtig, dass Menschen über ihre Rechte und Pflichten bei einer Demonstration aufgeklärt werden.“ CDU-Fraktionschef Matthias Finken sagte dagegen, Gewalt sei in jeder Form abzulehnen. Ein Training, das Strategien der Polizei unterlaufen solle, gehöre dazu. Er erwarte, dass das vom Steuerzahler erheblich geförderte Freiland sich eindeutig zur Gewaltfreiheit bekenne. Keinen Aufruf zur Gewalt sieht dagegen die Grünen-Spitze um Frauke Havekost und Nils Naber. Es sei erfreulich, wenn sich Jugendliche gegen „menschenfeindliche Aufmärsche“ engagieren. Gleichwohl mache das Trainingsmotto deutlich, „dass man einigen Jugendlichen den Rechtsstaat und die wichtigen Aufgaben der Polizei noch einmal erklären sollte“, so die beiden Grünen. SPD-Chef Mike Schubert sagte, rechtliche Aufklärung sei in Ordnung: „Aber alles, was mit Gewalttraining zu tun hat, hat im Freiland nichts zu suchen.“ Für die Stadtverwaltung teilte Sprecher Jan Brunzlow mit, die Art und Weise des Aufrufs – insbesondere die Diffamierung von Polizisten – sei „nicht zielführend“. Der Stadt gehe es um „gewaltfreien und bunten Protest“, ergänzte der Stadtsprecher.
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob Blockaden per se rechtswidrig sind. Sie fallen laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht grundsätzlich unter den Straftatbestand der Nötigung. Umstritten ist aber in der Rechtsprechung einzelner Bundesländer, ob Blockaden immer einen Verstoß gegen Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes – und damit eine Straftat – oder nur eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Von Henri Kramer mit René Garzke

http://www.pnn.de/potsdam/1050782/
2016-02-17 PNN Proteste und Blockade-Aufruf ein Babelsberg.pdf (124,5 KB)