2015-09-11 PNN Konzerttag als Geste des Miteinanders

Konzerttag als Geste des Miteinanders

Das 21. Jahrhundert hat Gerhard Gundermann, der singende Baggerfahrer aus der Lausitz, nicht mehr erlebt. Im Juni 1998 starb der Arbeiterdichter kurz und schmerzlos, mit nur 43 Jahren, an einem Hirnschlag. Ein Verlust ohnegleichen, hätte Gundermann mit seinem unmittelbaren Duktus und seiner einfachen Sprache doch noch so viel sagen können. So bleibt nur das, was von ihm auf Tonträgern konserviert wurde – und zu verstauben drohte.
Doch gerade jetzt erfährt Gundermann eine ungeahnte Renaissance: In diesem Jahr wäre er 60 Jahre alt geworden und Anfang dieses Jahres erschien das Benefizalbum „Gundis Lieder – Gundis Themen“, ein Projekt des Potsdamer Kulturzentrums freiLand, bei dem sich verschiedenste Künstler zusammentaten, um an den Sänger zu erinnern. Stoppok und Konstantin Wecker, aber auch Potsdamer Musiker wie Rudy, Krogmann oder das Duo Hand in Hand beteiligten sich an dem Projekt. Ein Doppelalbum entstand, bei dem auf einer CD Interpretationen von Gundermann zu hören sind, auf der anderen steuerten die Musiker eigene Songs bei, die sich der Ausdrucksweise Gundermanns anlehnten. Der Potsdamer Filmemacher Matt Sweetwood begleitete das Projekt und drehte einen Dokumentarfilm darüber.
Womit zu diesem Zeitpunkt keiner rechnete: Das Doppelalbum, das nicht verkauft, sondern in einer Minimalauflage von 1000 Stück hergestellt und an Bibliotheken sowie gemeinnützige Einrichtungen verteilt wurde, bekam unerwartet Kultstatus: In der „Liederbestenliste“ wurde die CD „Empfehlung des Monats“, dazu kam eine Nominierung für den „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ – und per Crowdfunding haben die Fans über das Portal „betterplace.org“ mittlerweile 5000 Euro für die Herstellung weiterer 1000 CDs gesammelt.
Am kommenden Sonntag gibt es auf dem freiLand-Gelände das Festival dazu, „Eine Welt des Miteinanders nicht nur für einen Tag“ lautet das Motto. Nun sind 20 Euro und sogar 25 Euro an der Abendkasse ein stolzer Preis für ein Festival – ein Konflikt für die Veranstalter, die schließlich niemanden ausschließen wollten. Also wurden 250 Freikarten an den Potsdamer Verein Kultür e.V. sowie an die Berliner Kulturloge verteilt, um auch Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, die sich keine Karte leisten können. „Wir sind einfach davon ausgegangen, dass diese Leute sowieso nicht gekommen wären, von daher tun uns die Freikarten nicht weh“, sagt Achim Trautvetter vom freiLand.
Pierre Wilhelm, der aus der Lausitz stammt und dessen Idee die Gundermann-Hommage war, sieht in der Veranstaltung einen humanistischen Akt, der ganz im Sinne Gundermanns gewesen wäre: Schließlich sei damals nach dem Weltkrieg ganz besonders im Lausitzer Revier versucht worden, durch kulturvolles Miteinander und Humanismus ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen – und das sei doch die Parallele zu der heutigen Zeit. So erhalten asylsuchende Menschen und Kinder kurzerhand freien Eintritt zum Festival. Und genau diese einfachen Gesten des Miteinanders hätten Gerhard Gundermann am besten gefallen.
Von Oliver Dietrich

http://www.pnn.de/potsdam-kultur/1004686/
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