2015-08-31 PNN Ninja-Schildkröten erobern Brauhausberg

Ninja-Schildkröten erobern Brauhausberg

Ein Graffiti-Künstler besprüht am Samstag die Wand entlang der Baustelle zum neuen Brauhausbad. Foto: A. Klaer

Der Bauzaun an der Leipziger Straße wurde von den Stadtwerken zur legalen Graffiti-Fläche erklärt. Am Samstag begann das Sprayen.

Potsdam - Die Kindheitshelden vieler, die Ninja-Schildkröten der US-Comicserie „Teenage Mutant Hero Turtles“, blicken seit dem vergangenen Samstag jedem entgegen, der die Lange Brücke stadtauswärts passiert. Unter anderem mit diesem Motiv wurde auf Initiative der Stadtwerke Potsdam der eintönig braune Bauzaun um das neu entstehende Bad am Brauhausberg verziert – und mit 600 Quadratmetern die größte legale Graffiti-Fläche Potsdams geschaffen. Ab dem heutigen Montag darf dann jeder die neue Sprühfläche benutzen und seiner Kreativität freien Lauf lassen.

50 Künstler weihten die Graffiti-Fläche ein
Etwa 50 Künstler waren am Samstag an der Einweihung der Fläche beteiligt, sagte der künstlerische Leiter der Aktion, Benjamin Bauer. Der 32-Jährige war bereits an zahlreichen Graffiti-Projekten in Potsdam beteiligt. Ab und zu kamen Eltern mit ihren Kindern zu ihm, weil die Kleinen sich gern mal an den Wänden ausprobieren wollten. Daraus wurde aber nichts. Er empfahl, zunächst einen Einsteigerkurs in einem von Potsdams Jugendclubs mitzumachen. „So eine Dose ist dann noch mal was anderes als ein Pinsel“, sagte Bauer einer Mutter, deren Sohn auch mal sprühen wollte. Im „Club Mitte“ auf dem freiLand-Gelände gebe es solche Kurse, sagt Bauer. Schmollend ging der Junge weiter, während die Mutter durchaus Verständnis zeigte.

Motto: „Potsdam bewegt“
Die, die ambitioniert die Farbdosen klackern ließen, waren Bauer zufolge zwischen zwölf und 35 Jahre alt und brachten einige Jahre Erfahrung mit. Etwa 30 Künstler hatten zuvor an einer Ausschreibung der Stadtwerke teilgenommen. „Alle haben einen Platz bekommen“, hieß es am Wochenende bei den Stadtwerken. Dafür mussten die Künstler im Vorfeld Entwürfe ihrer Bilder einreichen. Das Motto dabei lautete „Potsdam bewegt“. Die Motivation des Unternehmens: „Wir wollen der Szene befristet für die Zeit der Baustelle eine kreative Plattform zur Entfaltung bieten.“ Etwa 3000 Euro gab das Unternehmen für Ausschreibung und Materialien zum Sprühen dazu.

So verwirklichten sich auch Kinder eines Sozialprojektes aus Pritzwalk an der Wand. „Pritzwalk bewegt Potsdam“ steht nun groß an der Wand vor dem Eingang der Schwimmhalle. Auch zwei Mädchen, die ein paar Meter weiter malten, haben an der Ausschreibung teilgenommen. Die beiden – Johanna und Johanna – freuten sich über die vielen Sprühdosen. „Und es ist schön, dass man so viel Zeit hat, fertig zu werden.“ Das Motto fanden sie aber nicht so toll, integrierten aber dennoch eine Tänzerin in ihr Bild: „Das haben wir ganz gut hinbekommen.“ So gar nichts passend zum Motto sprühte Oskar an die Wand, er nahm auch nicht an der Ausschreibung der Stadtwerke teil. Er malte einfach einige aneinandergereihte Buchstaben auf die große Fläche, bunt und abstrakt. „Dass hier so eine legale Sprühfläche entsteht, ist schon Bewegung genug“, sagte Oskar, „eine super Initiative. Toll, dass die Stadt das auch so mitmacht.“ So eine legale Sprühfläche halte die Graffitikünstler auch vom illegalen Malen ab, vermutete Oskar. Und was hält er vom Neubau der Schwimmhalle am Brauhausberg? „Na ja, eigentlich wünscht man sich ja immer, dass Baustellen schnell beseitigt werden. Aber diese kann ruhig etwas länger dauern“, sagte er angesichts der neuen Sprühfläche, „im Umland haben wir schließlich auch genug Freizeitbäder.“

Graffiti-Fläche am Brauhausberg für zwei Jahre zur Verfügung
Auch das mit den Ninja-Schildkröten habe keinen tieferen Sinn, sagte Simon Pape, Künstlername: SirusSeven. Gemeinsam mit fünf anderen – die teilweise extra aus anderen Städten gekommen waren – malte er an einem Konzeptbild, in dem mehrfach die „Ninja Turtles“ auftauchten. Ein bekannter Künstler verwende die Fernsehcharaktere oft in seinen Bildern, das habe ihn inspiriert, sagte SirusSeven. An dem gemeinsamen Bild malte auch Tick – ebenfalls ein Künstlername – mit. „Ich finde es gut, dass wir, anders als bei Aufträgen, malen können, was unserer eigenen Ästhetik entspricht – und das mitten in der Innenstadt“, sagte er.

Für das neue Bad am Brauhausberg ist eine Bauzeit von zwei Jahren prognostiziert. Die Stadtwerke gehen von einer Fertigstellung Ende kommenden Jahres aus, nur so lange steht natürlich auch die Graffiti-Fläche zur Verfügung. Bei der Ausschreibung des Bauzauns sei bereits auf die Möglichkeit für Graffiti geachtet worden, hieß es bei den Stadtwerken. Der Großteil der Bilder, die am Samstag an die Wand gemalt wurden, dürfte bald wieder verschwinden. Denn: Ab dem heutigen Montag kann jeder den Bauzaun selbst besprühen. „Man hat es natürlich gern, wenn die Bilder lange stehen bleiben“, sagte Künstler Oskar. „Aber ich kann damit leben, wenn die Bilder ab Montag übermalt werden, dafür sind die Wände ja da.“ Benjamin Bauer sah das ähnlich: „Graffiti war schon immer eine schnelllebige Kunst“, sagte er.

Allerdings: Nicht alles darf gesprayt werden. Tabuthemen sind Gewalt, Drogen, Sex oder politische Werbung. Auf der Zaunseite, die Richtung Friedrich-Engels-Straße steht, entsteht in der kommenden Woche außerdem ein Stadtwerke-Motiv, das von den Potsdamer Auftragskünstlern von „Art-EFX“ gemalt wird – das darf nicht übermalt werden.
Von René Garzke

http://www.pnn.de/potsdam/1001370/
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