2014-05-07 MAZ Vom Partygast zum Staatsfeind

Dass der Verfassungsschutz Demonstrationen und politische Veranstaltungen in Potsdam überwacht, ist nicht ungewöhnlich. Wie nun aber bekannt wurde, kontrollierte der Brandenburger Geheimdienst auch Tanzveranstaltungen im “Spartacus” auf dem “Freiland”-Gelände.

Potsdam. Konkret geht es um die Geburtstagsfeier des Jugendclubs an der Friedrich-Engels-Straße im April 2013. Rund 20 Potsdamer, die laut Achim Trautvetter, Geschäftsführer des Jugend- und Kulturzentrums, regelmäßig zu Gast im Freiland sind und auch an der Jubiläumsfeier teilgenommen hatten, stellten vor knapp sechs Monaten einen Antrag auf Auskunftserteilung bei der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg.

Ein Antwortschreiben des Innenministeriums, das der MAZ vorliegt, belegt, dass Mitarbeiter des Brandenburger Geheimdiensts auf der Geburtstagsfeier im Spartacus vor einem Jahr zugegen waren. Zwei weitere Bescheide der Behörde verweisen darauf, dass sich die V-Leute auch schon in den Vorjahren unter die Gäste des Freilands gemischt hatten. 2011 etwa überwachte der Verfassungsschutz eine Spendengala für Zivilgesellschaft, die der Verein “Demokratisches Jugendforum Brandenburg” im Spartacus veranstaltet hatte. Auch die “Antifa United Soliparty” zum Thema “Neonazis in Potsdam” im Januar 2012 war von Mitarbeitern des Geheimdiensts kontrolliert worden. Aus den Schreiben des Innenministeriums geht hervor, dass die V-Leute nicht nur die Namen der Veranstaltungsteilnehmer notierten, sondern auch, wann diese die Feier verlassen hatten.

“Wir sind wirklich weit entfernt davon, ein gewaltbereites, autonomes Zentrum zu sein”
Achim Trautvetter, Freiland-Chef

“Wir sehen keinen Grund für die Überwachung des Spartacus noch eines anderen Orts auf dem Freiland und widersprechen jeder Art der Verdächtigung und Bespitzelung aufs Schärfste”, sagte Achim Trautvetter. Auf dem Gelände unweit des Hauptbahnhofs finden seit Jahren sozialpädagogische Vereine, Sportgruppen und Künstler Raum für Aktionen. “Unabhängig von den Aktivitäten der betroffenen Personen fühlen wir uns als Projekt angegriffen, wenn der Verfassungsschutz unsere Veranstaltungen für beobachtungswürdig hält”, sagte Trautvetter weiter. Das Freiland sei “weit davon entfernt, ein gewaltbereites, autonomes Zentrum zu sein”. Trautvetter vermutet, dass konservative Kräfte gegen die Kultureinrichtung mobil machen. “Es ist aber schwer, das zu beweisen”, sagte der Geschäftsführer und fügte hinzu: “Ich hätte mir gewünscht, dass der Verfassungsschutz auf uns als Träger zukommt, wenn er der Meinung ist, Personen auf dem Gelände stellten eine Bedrohung für dieses Land dar.”

Die Stadt, die das Freiland in diesem Jahr mit 17.000 Euro fördert, wollte sich nicht zur Überwachung durch den Geheimdienst äußern. “Die Weiterführung des Freilands als Jugendeinrichtung wurde im September 2013 mehrheitlich von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen – das ist die Grundlage, an die wir uns halten”, sagte eine Stadtsprecherin. Wie der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität Potsdam gestern mitteilte, wurden offenbar auch Studenten vom Verfassungsschutz überwacht.

Von Josefine Sack