2013-07-22 PNN Kein Abgesang der Subkultur

Kein Abgesang der Subkultur

Das letzte Sub’n Youth Festival im Freiland

Potsdams Subkultur ist quicklebendig – dem totsanierten Waschhaus und dem derzeit geschlossenen Archiv zum Trotz. Und die Szene beschränkt sich nicht nur auf Rap und Hip Hop, auch wenn das Sub’n-Youth-Festival 2011 als reine Baggyträger-Veranstaltung begann: Am Wochenende spielten auf dem Freiland-Gelände neben den Potsdamer Rappern der YYY Gang , Jaycop oder Scar auch die Metaller von Vijeriah oder die Indie-Popper von Approx. Und: Erstmals waren auch Bands aus Magdeburg, Chemnitz und Berlin, Argentinien und dem amerikanischen Denver dabei. Nach diesem Jahr soll erst einmal Schluss sein, denn den Studenten der FH Potsdam, die das Sub’n Youth ins Leben gerufen hatten, ist der ehrenamtliche Aufwand zu groß. Dennoch war die Veranstaltung alles andere als ein letztes Aufbäumen oder gar ein Abgesang. Das ist nun mal das Wesen jeder Subkultur, sich ständig zu verändern und immer neue Wege zum Publikum zu finden.

Bestes Beispiel dafür sind die beiden Künstler von Hemispheres, die mit ihren fotorealistischen Bildern eine ganze Ausstellung im Freiland bespielten. Seit Oktober 2011 arbeiten sie an ihrer Graphic Novel – einer ernsteren, künstlerisch anspruchsvollen Comic-Variation. Christopher de la Garza und Sascha Grusche wollten ihre Geschichte des Mönchs Shakara, ein Wanderer zwischen Dystopie und Utopie, mit ihren Fans diskutieren und so herausfinden, wie wir als Gesellschaft denn nun leben wollen. Gleichzeitig haben sie ein noch relativ neues Finanzierungsmodell ausprobiert: Gut 10 000 Euro haben sie über Crowdfunding zusammenbekommen, als Gegenleistung gab es eine Vorbestellung für das Buch, das 2014 erscheint, aber auch einen VIP-Zugang zum Facebook-Account. Dort, oder über die Plattform „Livekritik“ konnten die Fans Kritik üben an Grusches und de la Garzas Systemkritik.

Um die geht es – in einem weniger philosophischen Zusammenhang – auch in den Texten von Scar, der am Freitagabend mit seinem Produzenten Camufingo auf der kleineren der beiden Freiluft-Bühnen rappte. Die Aussage ist bei ihm kaum verschlüsselt, dafür eingängig und zum Mitwippen: „Hass“ etwa prangert die Zumutungen des geregelten Alltags an, in dem alle Träume längst ausgeträumt sind. Ganz so schlimm sieht die Künstlerrealität in Potsdam dann doch nicht aus: „Die Hip-Hop-Szene hier ist in den letzten zwei Jahren zusammengewachsen, das liegt vor allem daran, dass wir alle älter geworden sind“, sagt Camufingo. Mehr Reife also gleich mehr Solidarität?

Das „Archiv“ hatte seinen eigenen Stand auf dem Festivalgelände, allerdings etwas abseits und ohne eigene Bands. Das klassische „Archiv“-Publikum ist eben älter als die Freiland-Gänger, auch musikalisch liegen beide mindestens eine Generation auseinander. Am Ende geht es natürlich auch darum, wer Geld von der Stadt bekommt und wer nicht – das Freiland gilt beim Archiv da schon ein bisschen als Hätschelkind. So richtig zugehörig schienen sich die Archiv-Vertreter dann beim Sub’n-Youth- Festival auch nicht zu fühlen. Beim Schnaps kam man dann aber doch zusammen: Die „Mexikaner“ zum Solipreis von einem Euro fanden auch beim jungen Publikum Absatz.
Von Ariane Lemme

http://www.pnn.de/potsdam-kultur/771491/
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