2008-10-09 MAZ - Ersatzräume für den „Spartacus“ in der Johannsenstraße ungeeignet

SOZIOKULTUR: Betreten auf eigene Gefahr
Ersatzräume für den „Spartacus“ in der Johannsenstraße ungeeignet

POTSDAM / MITTE/BABELSBERG - Die Ersatzräume für den „Spartacus e.V.“ in der Johannsenstraße sind ungeeignet, und dem alternativen Kulturtreff „Archiv“ droht noch immer die baupolizeiliche Sperrung seiner Veranstaltungs- und Probenräume. Einen Lichtblick für die Szene gab es gestern bei der Villa Wildwuchs. Die ist laut Internetplattform ihrer neuen Nutzer im Stil einer Immobilienanzeige umbenannt worden in „La Datscha – Potsdams besetztes Haus mit Havelblick“.

Bernd Richter, Geschäftsführer des Kommunalen Immobilienservice (Kis), der die Datscha verwaltet, und Markus Beck, Chef der Bauaufsicht, schauten sich gestern die Substanz an. „Also ich kann wieder ruhig schlafen“, sagte Richter, und klappte den Stromverteilerkasten zu. Zwar ist das Dach undicht, ist die Gasheizung ausgebaut und sind die Leitungen nicht für Elektroheizer ausgelegt, doch bestehe „keine Gefahr für Leib und Leben“. Becks Fazit: „Baulich gibt es keinen Grund für eine Nutzungsuntersagung und Räumung.“ Die Zukunft des Besetzerprojektes sei natürlich eine politische Entscheidung. Die Angaben zu Sanierungskosten schwanken zwischen 200 000 und 400 000 Euro.

Unter dem Transparent „Miete zahlen liegt nicht in der Natur des Menschen“ vereinbarte Richter mit den Bewohnern, dass sie die Zählerstände für Strom und Wasser dokumentieren und der Verwaltung zukommen lassen.

Weniger erfreulich war am Vortag die Besichtigung der Johannsenstraße 18 und 19 durch die Bauaufsicht und die potenziellen Nutzer. Der Oberbürgermeister bietet die Häuser am Babelsberger Havelbus-Gelände dem „Spartacus e.V.“ als Ersatz für das Ex- Domizil in der Schlossstraße an. Unter den etwa 20 Spartakisten breitete sich erst Heiterkeit, dann Ernüchterung aus, als gleich beim Eintritt die halbe Treppe zusammenfiel. Die Verwalterin von der Pro Potsdam ließ jeden einen Zettel unterschreiben, dass er auf eigene Gefahr ins Haus gehe. Sie selbst zog es vor, draußen zu bleiben. Neben dem erbarmungswürdigen Zustand des Hauses konstatierte man, dass keine der Geschossdecken den statischen Anforderungen des geplanten Veranstaltungs- und Partybetriebes gerecht wird. „Ich habe noch nie so etwas Verrottetes gesehen“, sagte Lutz Boede von der Fraktion Die Andere. Stadtjugendring-Geschäftsführer Dirk Harder war mit einer Architektin gekommen. Deren Einschätzung: Die von der Stadt in Aussicht gestellte sechsstellige Summe reiche nicht aus, der Bauaufwand läge „deutlich über einer Million Euro“.

Nichts Neues vom „Archiv“ in der Leipziger Straße. Nach wie vor prüfe die Bauaufsicht, ob die festgestellten Brandschutzmängel eine Sperrung der Veranstaltungs- und Probenräume erfordern, sagte Rathaussprecherin Regina Thielemann gestern. In dem Fall werde man eine „schnellstmögliche Lösung“ suchen. Für eine Grundsanierung des „Archivs“ mit seinen 2000 Quadratmetern Nutzfläche veranschlagen Experten mehrere Millionen Euro. (Von Volkmar Klein)

Quelle: MAZ vom 09.10.2008